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22. August 2022 | von Simone Isermann

20 Konkurse in sechs Jahren

Sogenannte «Firmenbestatter» oder «Konkursreiter» verursachen jährlich Schäden in Millionenhöhe. So wie Lucas G*., der betrügerische Konkurse am Laufband produzierte. Die Suva geht aktiv dagegen vor.

Inhalt

      Der Fall: Lucas G.* hat sich seit 2016 im Handelsregister bei rund 20 Firmen als Besitzer und Geschäftsführer eintragen lassen. Alle Betriebe, die mehrheitlich bei der Suva obligatorisch versichert waren, sind zwischenzeitlich Konkurs gegangen. Der volkswirtschaftliche Schaden ist riesig, die Rechnung zahlen die Gläubiger und die ehrlichen Kunden. Was ist passiert?

      Das unehrliche Geschäft mit konkursreifen Firmen

      Als sogenannter «Firmenbestatter» oder «Konkursreiter» übernimmt Lucas G. hoch verschuldete Betriebe oder Firmen in prekären finanziellen Situationen. Für die Übernahmen erhält er von den Besitzern oder Vermittlern jeweils eine Entschädigung zwischen 2000 Franken und 5000 Franken. Doch statt wie gesetzlich vorgesehen Sanierungsmassnahmen zu ergreifen oder den Richter zu benachrichtigen, verzögert er die Konkurseröffnung. Um eine möglichst grosse räumliche und zeitliche Distanz zu den ehemaligen Inhabern zu schaffen, verlegt er oftmals den Firmensitz und benennt die Firmen teilweise auch um. Damit sind die Betreibungsregisterauszüge wieder leer und er kann hinauszögern, dass die Gläubiger ihr Geld einfordern. Dadurch verschlimmert sich die Vermögenslage der Unternehmen. Aus anderen Fällen ist bekannt, dass «Firmenbestatter» in diesem Zeitraum auch noch grössere Anschaffungen im Namen der neuen Firmen tätigen, welche dann nie bezahlt werden.

      Schaden in Millionenhöhe

      Das Nachsehen haben die Gläubiger. Sie haben keine Chance, ihr Geld zurückzuerhalten. So muss die Suva nicht bezahlte Versicherungsprämien in der Höhe von mindestens 300 000 Franken abschreiben. Da aufgrund fehlender Buchhaltung bei keiner der Firmen eine vollständige Schlussrevision durchgeführt werden konnte, kann der genaue Verlust nicht exakt beziffert werden. Voraussichtlich ist er noch grösser. Neben der Suva gibt es zahlreiche weitere Institutionen wie Ausgleichs- und Pensionskassen, Steuerverwaltung oder private Gläubiger, die vergeblich auf eine Zahlung hoffen. Der tatsächliche Schaden für den Werkplatz Schweiz liegt damit in Millionenhöhe.

      Verschleierung von Schwarzarbeit

      Neben solchen Konkursdelikten werden marode Firmen auch missbraucht, um Schwarzarbeit zu verschleiern. So stellte die Suva bei einer Arbeitgeberkontrolle im Jahr 2019 fest, dass die Dubios GmbH* zwischen 2016 und 2018 über 1 Million Franken bar an verschiedene Subunternehmen zahlte. Allein im Jahr 2016 wurden über 500 000 Franken an die Bankrott GmbH* gezahlt – einer der Firmen, bei der Lucas G. als Besitzer und Geschäftsführer eingetragen war. Dies, obwohl die Bankrott GmbH zu diesem Zeitpunkt gar keine Geschäftstätigkeit mehr hatte und wenig später Konkurs ging.

      Die Suva hat der Dubios GmbH die Barzahlungen an die Bankrott GmbH als prämienpflichtigen Lohn in Rechnung gestellt. Diese nachträgliche Rechnung in der Höhe von 60'000 Franken wurde allerdings nie bezahlt. Zwischenzeitlich ist die Dubios GmbH ebenfalls Konkurs gegangen. Der tatsächliche Verlust dürfte wiederum wesentlich höher sein, da solche Barzahlungen in der Regel auch bei anderen Institutionen nicht abgerechnet werden.

      Den Schaden für solche Delikte tragen schlussendlich auch die ehrlichen Betriebe. Dies in verschiedener Hinsicht: Sie zahlen die Prämien und oft auch andere Verpflichtungen wie beispielsweise AHV-Beiträge mit, welche die betrügerischen Unternehmen umgehen. Zudem erhalten sie unter Umständen keine Aufträge mehr, weil die mit unlauteren Methoden agierende Konkurrenz zu Dumpingpreisen offeriert.

      Der mehrfachen Misswirtschaft schuldig gesprochen

      Die Suva hat Strafanzeige gegen Lucas G. wegen systematischen Konkursdelikten gestellt. Im März 2022 wurde er der mehrfachen Misswirtschaft und der unterlassenen Buchführung schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt. 7 Monate davon muss er absitzen. Die vorherigen Firmeninhaber werden in der Regel in separaten Verfahren ebenfalls zur Rechenschaft gezogen. 

      *Namen geändert

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