Unfallprävention bei der BLS: Ein Auge auf die Sicherheit
Arbeiten an der Kultur – so lautet die Antwort der BLS auf hohe Unfallzahlen. Vier Verantwortliche erzählen über Erfolge und Aha-Momente.
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2022 hat die Geschäftsleitung des Schweizer Bahnunternehmens BLS AG unter dem neuen CEO Daniel Schafer ein starkes Zeichen gesetzt: Um die Berufsunfälle bei der BLS zu senken, sollte im Unternehmen das Thema Sicherheit mit einer Kommunikationskampagne Aufmerksamkeit erzeugen und damit auf die Sicherheitskultur einwirken. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Unfallzahlen über dem Durchschnitt der Eisenbahnunternehmen. Auch die Zahl der Nichtberufsunfälle war recht hoch. Viele Mitarbeitende waren und sind oft sportlich unterwegs – auf Skis, Bikes, auf Wanderwegen oder mit dem Gleitschirm.
«Eines war uns von Anfang an klar», erinnert sich Matthias Grossenbacher, Experte Mensch und Kultur. «Um die Kultur zu beeinflussen, müssen alle Bereiche der BLS an einem Strang ziehen – HR, Bahnproduktion, Infrastruktur, Personenmobilität und Cargo.»
Kommunikation alleine genügt nicht
Das Jahr 2023 stand im Zeichen der Grundlagenarbeit. Fragen wurden geklärt, zum Beispiel «Was verstehen wir bei der BLS unter einer Sicherheitskultur?» oder «Was erwarten wir von unseren Führungskräften?»
Parallel dazu startete die Kommunikationskampagne Bodyguard. Die Idee dahinter war, bei der persönlichen Sicherheit sein eigener Bodyguard zu sein. Die Mission: Wir alle wollen «gsung hei cho». Visuell begleitete die Kampagne ein modernisiertes Bodyguard-Auge, das aus einer früheren Kampagne bereits vielen Mitarbeitenden bekannt war. Nicht überraschend: Nur wegen der Kommunikationskampagne sanken die Unfallzahlen nicht nachhaltig. «Das Resultat war sogar ziemlich ernüchternd», erinnert sich der Auftraggeber der Initiative, Simon Läderach. Zwar sanken die BU-Zahlen zuerst, schnellten aber gleich wieder in die Höhe. «Wir mussten uns fragen: «Waren unsere Botschaften noch nicht angekommen?»
«Die Kommunikationskampagne wurde visuell begleitet von einem modernisierten Bodyguard-Auge. Dieses war aus einer früheren Kampagne bereits vielen Mitarbeitenden bekannt.»
Vorbild Führungskraft
Zentral für das Entwickeln einer Kultur ist das vorbildliche Verhalten der Führungskräfte. Deshalb überarbeiteten die Verantwortlichen den Kurs «Arbeitssicherheit durch Führung» komplett. Neu besteht er aus einem E-Learning zu den rechtlichen Aspekten der Sicherheit und aus einem moderierten halbtägigen Workshop. «Dieser Kurs stösst auf grossen Anklang», erzählt Simon Läderach. «Die acht Durchführungen pro Jahr sind ausgebucht und die Teilnehmenden schätzen die praxisnahen Inhalte.»
Im Dialog Lösungen entwickeln
Im Geschäftsfeld Infrastruktur führte der Leiter Bau und Unterhalt eine vertiefte Analyse der Unfallzahlen durch, welche Aufschluss darüber gab, welche Art von Unfällen in welchen Teams geschehen ist. Es wurden gemeinsame Lösungen entwickelt. Beispielsweise wurde an einer Veranstaltung ein Marktstand zum Thema Sicherheit angeboten. Führung und Mitarbeitende definierten gemeinsam spezifische Schwerpunkte bei Arbeitsstellenaudits, um Berufsunfälle in Zukunft noch besser zu verhindern. Zudem thematisieren Mitarbeitende auf allen hierarchischen Stufen die Mission «gsung hei cho». Die Summe dieser Massnahmen könnten ab Mitte 2024 positiv zu den massiv tieferen Unfallzahlen beigetragen haben.
Fit am Arbeitsplatz
Michaela Steuber ist Fachverantwortliche Betriebliches Gesundheitsmanagement. Um die physische Fitness der Mitarbeitenden zu steigern, lancierte sie die Kampagne FIT@BLS. Im Mittelpunkt standen arbeitsplatzbezogene Bewegungsworkshops inklusive Übungen mit dem Theraband zum Ausgleich. «Die körperlichen Belastungen sind in den verschiedenen Berufsgruppen sehr unterschiedlich. Eine Lokführerin sitzt viel, ein Zugbegleiter läuft weite Strecken. Deshalb haben wir die Workshops auf die jeweilige Berufsgruppe angepasst; für Werkstattmitarbeitende, Lokführer/-innen, Zugbegleiter/-innen, Gleis- und Forstmitarbeitende sowie für Büroangestellte.»
Die Mitarbeitenden profitieren auch sonst von einem vielfältigen Angebot im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Zum Beispiel von freiwilligen Grippeimpfungen, optionalen Impfungen pro Bereich wie die Zeckenimpfung für Forstmitarbeitende, von Suva-Workshops für die persönliche Unfallprävention und das sichere Velofahren mit Virtual Reality sowie von der Möglichkeit, bei Bike to work oder am Firmenlauf B2Run Bern mitzumachen.
Auf dem Weg zu mehr Sicherheit
Mitte 2024 sanken die Unfallzahlen der BLS dann stark. «Wir sind uns bewusst, dass wir mit diesem Zwischenerfolg noch nicht am Ziel sind – Kulturentwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess», sagt Matthias Grossenbacher, «es ist das Zusammenspiel aller Disziplinen, die es ausmachen.»
Ein Schlüssel zum Erfolg ist das Sicherheitsboard, in dem alle Bereiche der BLS vertreten sind. Hier stimmen sich die Verantwortlichen vierteljährlich ab und koordinieren ihre Massnahmen. Michaela Steuber bedient sich einer Metapher, um die Zusammenarbeit zu beschreiben: «Wir sind wie Zahnräder, die ineinandergreifen und so zusammen für mehr Sicherheit sorgen.» Gute Ideen aus einem Bereich können durch die Kerngruppe und das Board rasch kopiert und im ganzen Unternehmen verbreitet werden.
Schritt für Schritt hin zur Sicherheitskultur
Anja Schmid ergänzt: «In Zukunft wollen wir Workshops direkt mit den Mitarbeitenden durchführen, denn wir haben gemerkt: Diese müssen wir einbinden, um Erfolg zu haben.» Wer neu ins Unternehmen eintritt, soll direkt mit der Sicherheitskultur in Kontakt kommen, zum Beispiel am Willkommenstag.
Begleitet werden alle diese Massnahmen nach wie vor von der Kommunikationskampagne Bodyguard. Nach der Lancierung mit grossen Planen insbesondere in den Werkstätten, einer Sharepoint-Seite mit Erklärfilmen, Onlinequiz und Vorlagen für Führungskräfte, wie sie einen Workshop durchführen können sowie der Thematisierung des Themas Sicherheit an Führungs- und Mitarbeitenden-Anlässen kommen nun Schritt für Schritt neue Elemente dazu. Simon Läderach sagt: «2025 wollen wir beispielsweise Video-Talks mit Mitarbeitenden produzieren. Sie drehen sich um sicherheitsrelevante Themen und um das STOPP-Sagen. Das ist eine Möglichkeit, unsere Leute einzubinden und so Nähe zu schaffen.»
Tipps der BLS
- Reflexion für Führungskräfte: «Wir ermöglichen den Führungskräften, ihr eigenes Verhalten im Hinblick auf Sicherheitsfragen zu reflektieren: Wie aufmerksam sind sie? Welche Sicherheitsthemen sprechen sie gegenüber ihren Mitarbeitenden an?» Simon Läderach
- Ziele sorgfältig wählen: «Eine einfache Reduktion von Fallzahlen als Ziel berücksichtigt nicht den Schweregrad der Verletzung und gibt ein falsches Signal – nämlich, dass wir schlecht unterwegs sind. Wir wollen vielmehr die Sicherheitskultur fördern.» Simon Läderach
- Mitarbeitende beteiligen: «Eine Sicherheitskultur wird von den Mitarbeitenden getragen, wenn sie in den Prozess eingebunden sind, z.B. in Diskussionen und Workshops.» Anja Schmid
- Kleine Arbeitsgruppe: «Es ist zielführend, mit einer kleinen, schlagkräftigen Arbeitsgruppe an den Inhalten zu arbeiten und situativ die verschiedenen Bereiche einzubeziehen.» Anja Schmid
- Massnahmen auf Kennzahlen stützen: «Das Entwerfen von Massnahmen aufgrund konkreter Kennzahlen lohnt sich. Welche Freizeitaktivitäten führen zu den meisten Unfällen? Können wir am Verhalten und/oder den Verhältnissen bei der Unfallprävention ansetzen?» Michaela Steuber
- Kooperation statt Silodenken: «Wir müssen Silodenken überwinden und gemeinsam für gesunde und sichere Arbeitsbedingungen sorgen.» Michaela Steuber
- Schlüsselthemen wiederholen: «In der Kulturentwicklung dürfen sich wichtige Themen wiederholen. Es geht nicht darum, krampfhaft innovativ sein zu wollen.» Matthias Grossenbacher
- Sichtbare kleine Schritte: «Kulturentwicklung ist ein grosses Thema. Man sollte die Umsetzung in kleinen, sichtbaren Schritten vornehmen und die erfolgreiche Umsetzung feiern.» Matthias Grossenbacher