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4. Juni 2023 | von Caspar Türler

Plötzlich Sibe - so gelingt der Einstieg

Sicherheitsbeauftragte, kurz Sibes, tragen viel Verantwortung: Sie unterstützen die Prävention, schätzen Risiken ein und koordinieren Arbeits- und Gesundheitsschutz der Kollegen und Kolleginnen. Drei Profis zeigen, wie Neulinge Fuss fassen.

Inhalt

      Sibe kann man von heute auf morgen werden. Ein guter Sibe sein, das braucht hingegen Zeit. Zeit für das Sammeln von Informationen, breitem Know-how und Erfahrung in Konzepten und Projekten. So lernt man, eine Unternehmung unter dem Aspekt der Sicherheit zu betrachten, Gefahren zu erkennen und diese zu beseitigen.

      Dass Sibes zu allererst die Unterstützung der Unternehmensleitung brauchen, bestätigen Fachleute in grossen und kleinen Betrieben. Denn schliesslich ist das Management für die Sicherheit der Mitarbeitenden verantwortlich, genauso wie für eine gute Ausbildung. Nicht ernst genommene, zu tolerante oder gleichgültige Sibes nützen niemandem.

      Drei erfahrene Sicherheitsbeauftragte geben Tipps

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      «Wir Sibes können und wollen die Sicherheit auf unseren Baustellen nicht dem Zufall überlassen»,

      Roland Saxer, Sibe bei Implenia AG Zürich.

      Die Rolle «Sibe» kann niemand auf die leichte Schulter nehmen. Doch was braucht es alles, um Wirkung zu erzielen und Erfolg zu haben?

      «Als Sibe ist man ab Tag eins gefordert,» sagt Roland Saxer, Arbeitssicherheits- und Umwelt-Experte beim grössten Bau- und Baudienstleistungsunternehmen der Schweiz. «Neulingen sieht man zwar noch Manches nach, aber beim Sprung ins kalte Wasser wird man einfach nass. Sibes haben eine grosse, aber sinnvolle Aufgabe, die sie mit dem systematischen Aufbau von Fachwissen und beharrlichem Vorgehen meistern können.»

      Je mehr sich ein neuer Sibe seiner Rolle bewusst wird, desto schneller bekommt er auch ein Sensorium dafür. Manchmal hilft es nur schon, einen Schritt zurückzutreten und das Ganze im Überblick anzusehen, weiss Saxer aus Erfahrung. «In der Gesamtschau sieht man plötzlich unsichere Situationen, die einem in der täglichen Hektik gar nicht auffallen. Aber Sicherheit geht alle an und ist eine Team-Aufgabe. Dabei darf man sich nicht von Terminen oder Kosten drücken lassen.»

      Genau in diesem Spagat liegt das Faszinierende und das Schwierige dieser Funktion, gibt Saxer zu bedenken. «Man muss objektiv bleiben und mehrere Bälle in der Luft halten können.» In schwierigen Situationen steht er und sein Team den Sibes zur Seite. Doch damit es gar nicht erst soweit kommt, setzt er auf konsequente Aus- und Weiterbildung. Als Grundlage verwendet er das 10-Punkte-Sicherheitssystem der EKAS (siehe Box).

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      «Wenn Geschäftsleitung und Belegschaft nicht auf Sicherheit Wert legen, ist der Sibe ein Rufer in der Wüste, auf verlorenem Posten.»


      Alain Groelly, Sibe bei Marti Zürich AG

      «Wer die 10 Punkte des EKAS-Sicherheitssystems befolgt, ist auf der sicheren Seite», bestätigt Alain Groelly. Er ist ebenfalls für ein namhaftes Unternehmen als Sibe unterwegs, wortwörtlich: Auf der Fahrt zwischen – wie immer unangemeldeten – Baustellenbesuchen teilt er seine Erfahrungen über die Freisprechanlage. Die Hände bleiben am Steuer. Nicht nur, weil er Vorbild ist, sondern weil Sicherheit sein Leben ist. Und Sicherheit ist Leben, nicht nur in der Baubranche.

      An jedem Arbeitsplatz gilt es, trotz Zeit- und Wirtschaftsdruck Unfälle zu verhindern. «Das geht nur über konsequentes Qualitätsmanagement», erklärt er. «Wir machen Feststellungen, schreiben Berichte ans Management und die Baustellenleitung und definieren die nötigen Anforderungen. Die beanstandeten Punkte thematisiere ich so lange, bis sie behoben sind – auch auf die Gefahr hin, dass ich mich unbeliebt mache.

      Doch lieber unbeliebt und dafür respektiert. Natürlich geht es zuerst um Menschen, aber auch um Ausfallzeiten und Prämien, die nicht ansteigen sollten. «Ich höre oft ‘könnten wir es nicht schnell ohne dies oder das machen, es wird schon nichts passieren’, aber da bleibe ich hart. Als Fasnächtler und Laienschauspieler kann ich meine humorvolle Seite in der Freizeit ausleben – doch bei der Arbeitssicherheit verstehe ich keinen Spass.»

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      «Etwas vom Wichtigsten: Ein Sibe ist kein Polizist, sondern ein Berater. Er zeigt Lösungen auf, welche die Mitarbeiter nachvollziehen und selber erarbeiten können. Das braucht Geduld, zahlt sich aber vielfach aus.»


      Fredel Abegglen, Sibe bei Gasser Felstechnik AG Lungern

      Zusammen versetzen wir Berge’ ist das Motto der Innerschweizer Spezialfirma für Fels- und Sprengtechnik, bei der Fredel Abegglen als SiBe wirkt. «Berge versetzen heisst aber nur bedingt Kraftakte vollbringen. Im Gelände, bei Wind und Wetter geht es vor allem um geschicktes und bedachtes Vorgehen. Ohne konsequente Sicherheitskultur wären wir bald nicht mehr im Geschäft», sagt er mit einer Pause – er weiss, was alles passieren könnte.
      «Andererseits decken die Reglemente nicht alles unsere täglichen Herausforderungen ab. Es gibt Situationen, in denen ich die Sicherheit der Beteiligten und der Umgebung nach eigenem Ermessen abschätzen muss.» Das geht erst mit viel Erfahrung, die man am Anfang natürlich noch nicht haben kann, gibt er zu bedenken. Deshalb wäre es fahrlässig, jemandem zum SiBe zu bestimmen, der sich diese verantwortungsvolle Aufgabe nicht zutraut oder noch nicht erfahren genug dafür ist.

      Und wann hat ein Sicherheitsbeauftragter seine Arbeit gut gemacht? «Wenn eine Baustelle ohne Zwischenfälle abgeschlossen werden kann – das ist das Schönste für mich. Am meisten freut mich, wenn Mitarbeitende ohne Aufforderung kleine Unsicherheiten oder Gefahren in Ordnung bringen. Das ist gelebte Sicherheitskultur.»

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      Was muss ein Sibe tun? Das 10-Punkte-Sicherheitssystem

      Die EKAS (Eidg. Koordinationskommission für Arbeitssicherheit) hat ein Sicherheitssystem mit den 10 wichtigsten Tätigkeiten eines Sibe definiert. Es umfasst die Planung und Schulung, die Beurteilung von Gefahren, die Festlegung von baulichen, technischen und organisatorischen Schutzmassnahmen sowie die Verhinderung von Unfällen.

      1. Mithilfe bei der Definition «Sicherheitsleitbild und Sicherheitsziele»
      2. Aufbau Sicherheitskonzept und Sicherheitsorganisation (Bestimmung Kompetenzen, Verantwortlichkeiten)
      3. Ausbildung, Information und Instruktion rund um die Arbeitssicherheit
      4. Schulung von Sicherheitsregeln und Standards (Arbeitsmittel, Massnahmen)
      5. Mithilfe bei Risikobeurteilung und Gefährdungsermittlung (vom Ist-Zustand zum Soll-Ziel)
      6. Massnahmenplanung und Umsetzung (Sicherheitsschwerpunkte, Kampagnen)
      7. Überprüfung der Notfallorganisation
      8. Motivierung der MA zur Mitwirkung bei allen Sicherheitsthemen
      9. Überprüfung Gesundheitsschutz (gefährliche Stoffe, Ergonomie, Arbeits-/Ruhezeiten, etc.)
      10. Kontrolle (Inspektionen, Rapportierung, Statistik, Empfehlungen) 

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