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29. September 2023 | von Martin Clauss

Fraktur-assoziierte Infektionen: eine interprofessionelle Herausforderung

Die Behandlung von Patienten mit Fraktur-assoziierten Infektionen stellt eine grosse interdisziplinäre Herausforderungen dar. Die optimierte interdisziplinäre Betreuung in einem spezialisierten Zentrum beeinflusst Behandlungserfolg, Zufriedenheit und soziale Wiedereingliederung der betroffenen Patienten.

Inhalt

      Martin Clauss1,2 Richard Kühl1,3 Katinka Wetzel1,Tarek Ismail 4 Rik Osinga1,4,5,6 Mario Morgenstern1,2 

      1 Zentrum für muskuloskeletale Infektionen (ZMSI), Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz 

      2 Klinik für Orthopädie und Traumatologie, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz 

      3 Infektiologie und Spitalhygiene, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz 

      4 Klinik für Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie, Universitätsspital          Basel, Basel, Schweiz 

      5 Praxis beim Merian Iselin, Basel, Schweiz 

      6 REHAB Basel, Schweiz 

      Einleitung

      Die Häufigkeit von Infektionen nach operativer Versorgung von Frakturen beträgt zwischen
      1 % bei geschlossenen Frakturen und bis zu 30 % nach komplexen offenen Tibia-schaftfrakturen [1]. Obwohl in den letzten Jahren grosse Fortschritte im Verständnis der Entstehung und Prävention dieser Infektionen gemacht wurden, bleibt deren Inzidenz hoch [2].  

      Die Behandlung von Fraktur-assoziierten Infektionen (fracture-related infections (FRI)) als Komplikation der operativen Frakturversorgung stellt eine der grössten interdisziplinären Herausforderung der Orthopädie und Traumatologie dar. Weil häufig die Weichteile in der Umgebung der FRI geschädigt sind, werden zur Behandlung von FRI nicht nur spezialisierte orthopädische Chirurgen und Infektiologinnen benötigt, sondern auch plastisch-rekon-struktive Chirurgen, die eine vitale Weichteildeckung sicherstellen können. Dies setzt eine interdisziplinäre und interprofessionelle Behandlung der Patientinnen voraus [3].  

      Grundprinzipien der Behandlung

      Ein vitaler Weichteilmantel im Bereich der Fraktur und des Infektes ist von essenzieller Bedeutung für eine erfolgreiche Behandlung der FRI, da er eine Barriere für sekundäre Infektionen bildet und die systemisch applizierten Antibiotika sowie die Boten- und Nährstoffe zur Knochenheilung und Immunantwort an den Ort des Geschehens transportiert [4].  

      Neben der Sicherstellung eines vitalen Weichteilmantels ist die Stabilisation der nicht verheilten Fraktur von besonderer Wichtigkeit, nicht nur um den Knochenbruch auszuheilen, sondern auch um den Infekt erfolgreich zu behandeln. Eine instabile Situation (siehe Fallbeispiel) unterhält die Infektsituation [5]. Die Stabilisation kann durch interne oder externe Osteosyntheseverfahren gewährleistet werden, wobei die Wahl des Verfahrens von der anatomischen Lokalisation, dem knöchernen Status (Vitalität, Knochendefekte), dem Weichteilmantel und der Infektsituation abhängig ist. 

      Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Behandlung von FRI ist die Behandlung von lokalen oder systemischen Nebenerkrankungen. So können beispielsweise die Behandlung eines dekompensierten Diabetes mellitus oder die Verbesserung einer lokalen Durchblutungs-störung den Behandlungserfolg substanziell erhöhen [6, 7]. 

      Die orthopädische Behandlung von FRI erstreckt sich von der einfachen Metallentfernung und dem lokalen Débridement bei konsolidierter Fraktur mit anschliessend antibiotischer Behandlung der Osteomyelitis bis hin zu komplexen Rekonstruktionen von grossen segmentalen Knochen- und Weichteildefekten [6].  

      Anhand eines Fallbeispiels möchten wir auf einzelne Aspekte in der präoperativen Planung/Diagnostik, Behandlung und Nachbetreuung von Patienten mit FRI eingehen. Damit wollen wir veranschaulichen, wie die Patientinnen mit einer FRI von einer Behandlung in einem spezialisierten Zentrum profitieren. Durch optimierte Abläufe und Vertrautheit mit komplexen Verläufen können Behandlungserfolg und die Zufriedenheit der Patienten positiv beeinflusst werden, was sich wiederum auf den wichtigen sozioökonomischen Aspekt auswirkt. 

      Präoperative Planung/Diagnostik

      Fallbeispiel
      Patient P.H., 56-jährig, offene distale Unterschenkelfraktur vor ca. 40 Jahren mit nachfolgendem Infektverlauf (S. aureus) und multiplen Revisionsoperationen. Die Fraktur ist in der Folge in Recurvatum- und Varusfehlstellung des distalen Unterschenkels mit –3 cm Beinlänge verheilt (Abbildung 1 a und b). Bei posttraumatischer Arthrose erfolgte im April 2019 extern eine Dom-förmige distale Tibia- und Fibulaosteotomie. Postoperativ entwickelte sich eine FRI mit unklaren Keimen, welche mehrfach chirurgisch debridiert und mit Vakuumtherapie behandelt wurde. Darauf folgte eine antibiotische Therapie mit Nopil forte und im Verlauf Ciproxin. Im August 2019 stellte sich der Patient zur Zweitmeinung vor, nachdem ihm als einzige mögliche Behandlungsoption eine Unterschenkelamputation empfohlen worden war. Klinisch zeigte sich eine 2 x 2 cm grosse Fistel anterior über dem oberen Sprunggelenk im Zugangsbereich der Umstellungsosteotomie mit freiliegendem Knochen (Probe-to-Bone positiv) und freiliegenden, partiell nekrotischen Extensorensehnen (Abbildung 1 c). Im Rahmen der präoperativen Abklärung wurden neben einer angiolo-gischen Untersuchung eine Röntgen-, SPECT/CT- und MRI-Untersuchung sowie eine Arteriographie durchgeführt. Es zeigte sich eine fehlende Durchbauung der Tibiaosteotomie mit Nachweis von Sequestern im Osteotomiespalt (Abbildung 1 d). Die SPECT/CT- und MRI-Untersuchung erbrachten den hochgradig verdächtigen Befund auf eine Osteomyelitis der distalen Tibia. So zeigte sich in der nuklearmedizinischen Untersuchung eine diffuse Knochenstoffwechselsteigerung in diesem Bereich (Abbildung 1 d). Die angiologische Untersuchung sowie die Arteriographie erbrachten eine erheblich kompromittierte Makroperfusion mit Verschluss der A. tibialis posterior ab proximal, Verschluss der A. fibularis ab Mitte und Verschluss der A. tibialis anterior ab distalem Unterschenkel (Abbildung 1 e). Die Versorgung des Fusses erfolgte über ein Kollateralgefäss des Truncus tibio-fibularis, welches distal die A. tibialis posterior versorgte. 

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      Abbildung 1: Röntgenbilder zum Zeitpunkt der 1. Vorstellung im ZMSI (a+b), klinisches Bild mit freiliegenden Extensorensehnen (c), SPECT/CT mit Sequestern (Kreis) (d), Angiographie mit Abbruch sämtlicher Unterschenkelarterien und Versorgung des Fusses via Kollateralgefässe (e).

      «Fail-to-plan is plan-to-fail» [8]. Dieser Leitspruch aus der Endoprothetik gilt uneingeschränkt auch für die Behandlung von FRI. Nicht selten ist die Anamnese aufwendig, da die Patientinnen mehrfach voroperiert sind, an relevanten Nebenerkrankungen leiden und zahlreiche Komplikationen erfahren haben. In dieser Phase und angesichts der Ausgangssituation ist es auch schwierig, das Vertrauen der Patienten zu gewinnen. Ein stabiles Arzt-Patienten-Verhältnis ist jedoch essenziell für die weitere komplexe und oft langwierige Behandlung. 

      Die Sichtung sämtlicher früherer Unterlagen, speziell der Röntgenbilder, alter Operations- und Mikrobiologieberichte ist von grossem Nutzen. Operationsberichte erlauben häufig Rückschlüsse auf die Vitalität einzelner Knochenareale und beantworten die Frage, welcher alte Zugang zur operativen Sanierung überhaupt noch in Frage kommt. Berichte zu früheren Mikrobiologiebefunden wie auch zu eingesetzten antibiotischen Therapien geben wichtige Hinweise auf die zu erwartenden Erreger. Mit Antibiotika vorbehandelte Patientinnen können Erreger mit Resistenzen gegen die wichtigsten Antibiotika entwickeln, die bei Implantat-Infektionen eingesetzt werden. Solche (multi-)resistenten Erreger, wie auch eine Antibiotika-Allergie, limitieren die verfügbaren antibiotischen Behandlungsoptionen teilweise erheblich und beeinflussen dadurch die Wahl der chirurgischen Therapien. 

      Zur Behandlungsplanung solcher Komplexpatienten hat sich in unserem Haus die interdisziplinäre Besprechung im Rahmen eines wöchentlich stattfindenden Infektboards (interdisziplinäres muskuloskelettales Infekt-Kolloquium, IMSIK) analog zu einem Tumorboard etabliert [9]. Hier kann sowohl präoperativ der Eingriff interdisziplinär geplant als auch die Nachbehandlung und etwaige Komplikationen und deren Behandlung antizipiert und diskutiert werden. 

      Fortsetzung Fallbeispiel
      Nach interdisziplinärer Besprechung wurde bei unserem Patienten die Indikation zum lokalen Débridement und Resektion der Tibia-Pseudarthrose, Entknorpelung des oberen Sprunggelenkes, erneuter Fibulaosteotomie, Achskorrektur der Varusfehlstellung und Arthrodese des oberen Sprunggelenkes mittels Ringfixateur sowie Weichteilrekonstruktion mittels freier Lappenplastik gestellt. Die Recurvatum-Fehlstellung sollte nicht korrigiert werden, um einen besseren Abrollvorgang nach Arthrodese im oberen Sprunggelenk zu erreichen. Bei der chronischen Infektsituation, der komplexen knöchernen Situation und dem kompromittierten Weichteilmantel wurde zur Stabilisation der Arthrodese ein externer Fixateur gewählt. Dieses Verfahren vereinfacht und verkürzt die antibiotische Behandlung der Knocheninfektion, da kein Fremdmaterial direkt im Bereich des Infektgeschehens einliegt. In der Regel werden FRI ohne interne Stabilisation während sechs Wochen antibiotisch behandelt. Liegt ein internes Osteosyntheseverfahren (z. B. Platte oder Marknagel) ein, ist meist eine zwölfwöchige Kombinations-Antibiotikatherapie mit einem Biofilm-aktiven Antibiotikum notwendig. Bei Infektionen mit grampositiven Bakterien ist somit hier die zusätzliche Therapie mit Rifampicin notwendig, welches erhebliche Neben- und Wechselwirkungen haben kann [10].  

      Im Rahmen der präoperativen Operationsaufklärung wurde der Patient sowohl über die üblichen Risiken als auch über die Ausbehandlung im Ringfixateur mit einer langen Tragezeit aufgeklärt. Nicht selten schüchtert die Anlage eines Ringfixateurs für 6–12 Monate die Patientinnen ein [11], ist sie doch mit zahlreichen Ängsten und Sorgen bezüglich der Funktion im Alltag und etwaigen Einschränkungen verbunden. Wir versuchen daher, wenn immer möglich den Fixateur präoperativ unsteril vorzumontieren und dem Patienten zu zeigen. So gewinnen Patienten einen Eindruck davon, was nach der Operation am Bein montiert sein wird. Analog zu Amputationspatientinnen hat sich ausserdem der präoperative Kontakt mit anderen Ringfixateur-Patienten, die Erfahrung mit dieser Behandlung haben, als sehr unterstützend herausgestellt. So ist es möglich, etwaige Ängste der Patientinnen bereits präoperativ abzubauen beziehungsweise diesen aktiv zu begegnen. Auch sind in dieser Phase Gespräche mit unserer Zentrumspsychologin möglich, um vorhandene Ängste und Sorgen zu thematisieren. Diese kreisen häufig um erwartete Einschränkungen im Alltag, um Ängste, mit einem solchen «Gestell» nicht umgehen zu können, oder auch um die Sichtbarkeit gegen aussen sowie die möglichen Reaktionen anderer Personen auf einen Fixateur. Hier sind direkte Informationen und Wissensvermittlung sowie das Aufzeigen und Nutzen bereits vorhandener Ressourcen häufig hilfreich.  

      Intraoperative Probengewinnung

      Um eine gezielte Behandlung der FRI einleiten zu können, ist die exakte Identifizierung des ursächlichen Keims essenziell. Im Rahmen einer vor Kurzem publizierten Konsen-susdefinition zur Behandlung von FRI wurde empfohlen, zur Diagnostik fünf intraoperative Gewebsproben zu entnehmen [12]. Ein positives Biopsieergebnis liegt vor, wenn in mindestens zwei von fünf Proben ein phänotypisch identischer Keim identifiziert wird [2, 13]. Auf die Abnahme von sogenannten «tiefen Abstrichen» aus dem OP-Situs oder von Abstrichen aus Fistelgängen zur Diagnostik der FRI sollte wegen der im Vergleich zur Gewebsbiopsie niedrigen Sensitivität (tiefer Abstrich) beziehungsweise der hohen Zahl an falsch positiven Ergebnissen (Fistelabstrich) verzichtet werden [4, 12]. Der Transport und die Verarbeitung der Proben im Labor sollten speziell zum optimalen Nachweis von anaeroben Bakterien unmittelbar nach der Probenentnahme erfolgen, um hier die Rate falsch-negativer Biopsien so klein wie möglich zu halten. Ein weiteres wichtiges Standbein in der Diagnostik der FRI stellt die histologische Gewebsuntersuchung dar. Hier wird vor allem die Anzahl der neutrophilen Granulozyten (NG) analysiert. Das Vorhandensein von >5NG/high-power field gilt als Beweis für das Vorliegen einer FRI [14]. Ein technischer Aspekt der Biopsieentnahme ist die Entnahme mit jeweils neuem und sterilem Instrumentarium («Oxford-Schema», Abbildung 2a) [13], welches heute als Standardverfahren gilt. Wenn immer möglich sollten Implantate zur Sonikation (Ablösen von bakteriellen Biofilmen von der Oberfläche der Implantate mittels Ultraschall) eingesendet werden (Abbildung 2 c, Beispielbild).

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      Abbildung 2: Standardisiertes Biopsieset mit sterilen Gefässen, Biopsieluer und Pinzetten (a), Gewebeprobe (b), Sonikationsbehälter mit Implantaten (Beispielbild) (c). 

      Plastisch-chirurgische Weichteilrekonstruktion

      Neben der stabilen Versorgung der Fraktur erfordert eine optimale Infektbehandlung einen intakten Weichteilmantel. Dieser minimiert einerseits das Risiko einer Kontamination/Super-infektion der Osteosynthese und bringt andererseits über den rekonstruierten Weichteilmantel die Nährstoffe und die antibiotische Therapie an den benötigten Ort, nämlich in die Zone der FRI. Idealerweise erfolgen daher beide Anteile der Operation orchestriert während der gleichen Sitzung als gemeinsamer sogenannter ortho-plastischer Kombinationseingriff. Die Auswahl des jeweiligen Rekonstruktionsverfahrens orientiert sich an der Grösse, der Form, der Lokalisation und der Art des Defekts [15]. Dabei helfen die Prinzipien «so aufwendig wie nötig, so einfach wie möglich» und «Gleiches durch Gleiches ersetzen» bei der Entscheidungsfindung zwischen Direktverschluss, lokaler Lappenplastik oder freiem Gewebetransfer. Die Entscheidungsfindung zwischen lokaler Lappenplastik oder freiem Gewebetransfer ist komplex und hängt unter anderem vom Vorhandensein etwaiger Anschlussgefässe, von der Verfügbarkeit und der Erfahrung des plastisch-rekonstruktiven Chirurgen sowie dessen mikrochirurgischen Fähigkeiten ab. Die postoperative Nachbetreu-ung der Patientinnen auf einer Intensivstation ist aus unserer Sicht sehr sinnvoll. So kann zum Beispiel die Zeit bis zur Feststellung einer postoperativen Durchblutungsstörung nach freiem Gewebetransfer verkürzt und somit die Erfolgsrate der Lappenrevision gesteigert werden [15]. 

      Fortsetzung Fallbeispiel 
      Nach ausführlicher Planung konnte die operative Rekonstruktion als ortho-plastischer Kombinationseingriff im Oktober 2019 erfolgen. Wie geplant wurden zunächst das Débridement und die Darstellung der Anschlussgefässe (A./V. tib post) durchgeführt (Abbildung 3 a). Danach erfolgte die Osteosynthese mittels Ringfixateur sowie das mikrochirurgische Anschliessen und Einnähen des freien antero-lateralen Oberschen-kellappens (Abbildung 3 b), entnommen am kontralateralen Oberschenkel (Abbildung 3 c). Im weiteren Verlauf zeigte sich jedoch aufgrund des ungenügenden arteriellen In-Flows eine Lappenspitzennekrose (Abbildung 3 d). Nach vollständiger Demarkierung der Nekrose erfolgte zwei Wochen später ein erneutes ortho-plastisches Débridement. Die erneute Rekonstruktion erfolgte hier mittels eines osteo-cutanen freien Oberarmlappens, wobei der Epicondylus lateralis in einen persistierenden Defekt in der ventralen Tibia eingebolzt wurde (Abbildung 3 e). Der weitere postoperative Verlauf gestaltete sich unkompliziert und der Patient konnte bei weiterhin laufender antibiotischer Therapie mit täglicher Spitexunterstützung zur Pin-Pflege des Ringfixateurs nach Hause entlassen werden. 

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      Abbildung 3: Debridierter Situs mit vorbereitetem Anschlussgefäss (Pfeil) (a), eingezeichneter ALT Oberschenkel links (b), eingenähter ALT bei liegendem Ringfixateur (c), Lappenspitzennekrose ALT (d), zusätzlicher Oberarmlappen im Areal Lappenspitzennekrose (Kreis) (e). 

      Eine häufige Komplikation bei langen Tragezeiten im Rahmen einer Ringfixateurbehandlung sind Pin-Infekte [16]. Die gute Schulung der Patienten und der Spitex sowie die eng-maschige Anbindung an eine spezialisierte Fixateursprechstunde unter der Leitung einer erfahrenen Pflegeperson sind für die frühe Erkennung und korrekte Behandlung dieser Komplikation äusserst hilfreich. Eine kurzfristige antibiotische Behandlung reicht bei rechtzeitigem Erkennen häufig aus, in seltenen Fällen müssen Pins gewechselt und umplatziert werden. 

      Fortsetzung Fallbeispiel 
      Der weitere klinische Verlauf gestaltete sich unauffällig. Die antibiotische Therapie konnte zeitgerecht nach sechs Wochen gestoppt werden. Die radiologischen Kontrollen zeigten einen regelrechten Durchbau der ehemaligen Osteotomie und der Arthrodese des oberen Sprunggelenks (Abbildung 4), sodass im April 2020 der Fixateur abgebaut werden konnte. Im weiteren Verlauf wurde ein orthopädischer Massschuh im Sinne eines Arthrodesestiefels mit entsprechender Schuhzurichtung angepasst und der Patient physiotherapeutisch beübt. 

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      Abbildung 4: Klinisches Ergebnis (a und b) sowie radiologisches Ausheilungsbild (c und d). 

      Nach erfolgreicher Therapie kann die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess schrittweise unter möglicher Anpassung der Arbeitssituation oder des Arbeitsplatzes erfolgen. Teilweise sind auch Umschulungen notwendig, da der angestammte Beruf aufgrund der funktionellen Einschränkungen nicht mehr ausgeübt werden kann. Eine schwere körperliche Tätigkeit ist nach der beschriebenen Prozedur häufig nicht mehr möglich. Dieser Umstand ist für viele Patientinnen beängstigend und kann als existenzielle Bedrohung (Verlust von Arbeitsplatz und finanzieller Sicherheit) erlebt werden. Diese Einschränkungen sollten frühzeitig mit den Patienten besprochen werden. Es empfiehlt sich, die beteiligten Arbeitgeberinnen und Sozialversicherungen einzubeziehen, um Lücken beziehungsweise «Fallgruben» für die Patienten zu vermeiden. 

      Zentrumsmedizin

      Die interdisziplinäre Behandlung von FRI ist ein lang etabliertes, aber häufig vernachlässigtes Konzept [17]. Die wachsenden diagnostischen und operativen Möglichkeiten machen – wie in allen Bereichen der Medizin – eine immer individuellere Behandlung von Patientinnen mit FRI möglich. Neben den klassischen Disziplinen (Orthopädie/Traumatolgie, Infektiologie und plastisch-rekonstruktive Chirurgie) sind diverse andere Disziplinen wie Radiologie, Angiologie/Gefässchirurgie, Intensivmedizin, Psychologie und Rehabilitationsmedizin mittlerweile integrale Bestandteile dieser Komplexbehandlung. Neben den medizinischen Fachspezialisten ist eine enge Kooperation mit verschiedenen Pflegedisziplinen, Wundspezialistinnen, Orthopädietechniker und nicht zuletzt Kostenträgern unabdingbar, um die Patientinnen in diesem komplexen und teilweise sehr langwierigen Prozess zu begleiten und bestmöglich zu unterstützen.  

      Abkürzungen 
      FRI     Femora-acetabuläres impingement 
      MDT   Multidisziplinäres Team 
      ALT     antero-lateral Thigh Flap

      Korrespondenzadresse

      PD Dr. med Martin Clauss
      Leiter Zentrum für muskuloskeletale Infektionen, Standortleiter Orthopädie und Traumatologie, Universitätsspital Basel

      Literaturverzeichnis

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