"benefit" 1_21 Rubrik "vor Ort" Laurent Aeberli - Originalbild
8. März 2021 | von Regula Müller

Velounfall: Vom Tausendsassa zum Couchpotato – und zurück

Der Velokurier Laurent Aeberli stürzte bei der Arbeit mit dem Velo. Es folgten mehrere Monate Aufenthalt in der Rehaklinik Bellikon, wo Laurent Aeberli seinen Kopf komplett runterfahren musste.

Inhalt

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«Ich hatte beruflich drei Standbeine: Velokurier beim Veloblitz, Kommunikationsberater bei «das Netz» und Musiker. Ein Velounfall veränderte mein Leben total. Ich sollte vom Spital Zollikerberg eine Blutabnahme ins Blutspendezentrum nach Schlieren fahren. Eine Frau fand mich bewusstlos, mit zertrümmertem Helm auf der Gasometerbrücke liegen. Ich weiss nicht, wie es zum Unfall kam. Im Spital stellten die Ärzte eine Hirnblutung fest, entliessen mich aber trotzdem bereits nach kurzer Zeit. Im Arztzeugnis stand, ich könne 50 Prozent arbeiten. Ich merkte aber sofort, dass mein Kopf noch nicht bereit war für die Arbeit. Bei meinem Job als Kommunikationsberater sitze ich mehrheitlich vor Computer. Ich schleppte mich durch die Tage, arbeitete am Morgen zwei Stunden, brauchte dann Mittagsschlaf, um am Nachmittag nochmals zwei Stunden arbeiten zu können. Mehr konnte ich an einem Tag nicht leisten. Kopfschmerzen und krasse Stimmungsschwankungen machten mir zu schaffen.»

«Das Velo hatte keinen Kratzer, der Helm hingegen war zertrümmert.»

Laurent Aeberli, 29 Jahre

Nach dem Velounfall in die Reha

«Ich holte mir Hilfe bei einer Sportärztin, die mich ans Concussion Center Zürich überwies. Mit der ambulanten Behandlung kam ich aber nicht weiter. Acht Monate nach dem Unfall trat ich schliesslich in die Rehaklinik Bellikon ein. Es war so ziemlich das Letzte, was ich wollte. Doch ich sagte mir, die paar Wochen hältst du schon aus. Es wurden fünf Monate. Rückblickend bin ich sehr dankbar für diese Zeit. Endlich konnte ich meinen Kopf ganz runterfahren und lernte in der Physio- und Psychotherapie, meinen Körper zu spüren. Neben dem Kopftraining habe ich viel Sport gemacht und gesund gegessen; ich verlor 10 Kilo. Ich fühlte mich so stark und fit wie noch nie. Die Zeit in der Reha hat mich ausgeglichener gemacht. Heute sage ich auf Nachfrage, wie es mir wirklich geht, höre auf körperliche Signale und mache – falls nötig – langsamer.

Das Musikmachen ging als erstes wieder. Seit meiner Rückkehr aus der Reha arbeite ich auch wieder Teilzeit als Kommunikationsberater. Mit genügend Schlaf geht das sehr gut. Und seit Kurzem bin ich auch zurück beim Veloblitz. Die Fahrten kann ich richtig geniessen.»

Unser Einsatz für die Rückkehr von Verunfallten

Die Suva vereint Prävention, Versicherung und Rehabilitation. Nach einem Unfall begleitet und unterstützt die Suva die Betroffenen auf ihrem Weg zur Rehabilitation. Verunfallte haben bessere Chancen auf Heilung und Wiedereingliederung, wenn sie frühzeitig und kompetent betreut werden. Nicht nur von uns, sondern auch von ihrem gesamten Umfeld.

Interview mit Dr. med. Judith Sartorius

"benefit" 1_21 Rubrik "vor Ort" Judith Sartorius

Wie haben Sie Laurent Aeberli während der Reha erlebt?

Herr Aeberli war sehr motiviert in der Reha. Er wollte rasch wieder gesund werden. Obwohl die Rehaziele in den ersten Wochen anders gesteckt wurden, als Herr Aeberli initial erwartete, konnte er sich auf hierauf sehr gut einlassen, auch auf Therapieformen wie Achtsamkeitstraining, was ihm zuvor unbekannt war, und er arbeitete intensiv mit.

Woran konnten Sie feststellen, dass er Fortschritte macht?

Im Fall von Aeberli konnten wir Fortschritte daran erkennen, dass er die Grenzen seiner kognitiven  und allgemeinen Belastbarkeit zunehmend besser wahrnehmen konnte, sein Tagesprogramm daran anpasste und regelmässige Pausen einhielt, was zu einem Rückgang der Symptome (Kopf- und Nackenschmerzen, rasche Ermüdbarkeit) erkennbar war. Den Rahmen des Rehaprogramms legten wir fest, an den Abenden und Wochenenden war Herr Aeberli dann selbst für sich verantwortlich. Im späteren Verlauf der Reha stand das kognitive Belastungstraining im Vordergrund. Hier konnten wir anhand der zunehmenden Stundenzahl ohne Auftreten von Überbelastungssymptomen, die Herr Aeberli in den jeweiligen Therapien arbeitete, die Fortschritte erkennen.

Laurent Aeberli hatte von Anfang an gute Chancen auf Heilung. Was hat Sie zuversichtlich gemacht?

Das sind mehrere Punkte: das zu Glück geringe Ausmass der erlittenen traumatischen Hirnverletzung bei Herrn Aeberli, die Motivation und Mitarbeit von ihm sowie seine Fähigkeit, sich auf diesen Prozess der Reha einzulassen, und zu guter Letzt die Erfahrung bezüglich der Heilungsverläufe bei Fällen wie bei Herrn Aeberli.

Fünf Monate Reha sind eine lange Zeit. Warum braucht es bei Kopfverletzungen so viel Geduld?

Das Gehirn bzw. das Nervensystem ist in Aufbau und Funktion komplex und braucht daher immer eine längere Zeit zur Erholung. Zusätzlich arbeitet unser Gehirn 24 Stunden pro Tag. Nur durch Reduktion von einwirkenden äusseren Reizen, Einlegen von Pausen, aber auch Verhaltensänderungen, um eine innere und äussere Reizabschirmung zu erreichen, kann man das Gehirn initial entlasten. Gleichzeitig kann die Erholungszeit auch individuell etwas schwanken. Nach der Erholungsphase muss dann ein Aufbau der kognitiven Belastbarkeit und spezielles kognitives Training. Physiotherapie, Logotherapie und Ergotherapie zur Behandlung von neurologischen Defiziten wie Lähmungen, Gang- und Gleichgewichtsstörungen etc. erfolgen vom ersten Tag an mit Steigerung und Anpassung im Verlauf. 

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