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«Ohne Umfeld wäre ich nicht so weit gekommen»

Nach einem Trainingsunfall im Bobsport verlor Sandro Michel fast sein Bein. Heute trainiert er wieder regelmässig. Wie hat er seine Wiedereingliederung erlebt? Und warum spielte sein Umfeld eine tragende Rolle?

Text: Stefan Joss; Fotos: Thomas Egli
15.09.2025
ca. 3 min

Inhalt

Februar 2024, Bobbahn in Altenberg, Deutschland. Ein einziger Moment stellt das Leben von Sandro Michel auf den Kopf. Der Anschieber wird bei einem Sturz in den Eiskanal hinausgeschleudert und gleitet bewusstlos dem gekippten Bob hinterher. Im Zielbereich rutscht das schwere Gefährt rückwärts und trifft Sandro mit voller Wucht. Die Hüfte ist grossflächig aufgerissen, die Lunge geprellt, es steht sogar eine Beinamputation zur Diskussion. Sandros Leben hängt an einem seidenen Faden.

«Heute ist das Mühsamste, meine Schuhe zu binden», sagt Sandro und lächelt. 16 Monate nach dem Unfall macht er im Sportzentrum Filzbach sein Performancetraining, zusammen mit seinen Teamkollegen. 

 

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Da sein hilft bei der Wiedereingliederung
Wiedereingliederung

Da sein hilft bei der Wiedereingliederung

Wer nach einem Unfall im Spital ist, freut sich über jede Aufmunterung. Seien Sie deshalb für Betroffene da und bieten Sie Hilfe an. Sie unterstützen damit die Genesung und Wiedereingliederung.
Wiedereingliederung: Da sein hilft

Interview mit Sandro Michel

Sandro, was waren deine ersten Gedanken nach dem Unfall?
Ich brauchte einige Zeit, um zu realisieren, dass ich lange nicht in einen Bob steigen würde. Vielleicht nie mehr. 

Wie hast du die Therapie in Bellikon erlebt?
Dank der professionellen Therapie durfte ich in Bellikon grosse Fortschritte machen. Dafür musste ich viel Zeit und Energie investieren. Um zum Beispiel wieder selbständig aufstehen zu können, übte ich zuvor viele Stunden. 

Wie war deine mentale Einstellung im Genesungsprozess?
In Bellikon führten mir Menschen vor Augen, dass es deutlich schlimmer hätte kommen können. Im Gespräch mit ihnen realisierte ich, dass sie ihr Leben trotz Einschränkungen recht gut managen. Warum sollte ich das anders machen?

Hat dich ein Gedanke geleitet?
Ich sagte mir: «Sandro, du hast zwei Optionen: Du kannst dich fallen lassen und im Selbstmitleid versinken oder alles dafür tun, um so schnell wie möglich wieder auf die Beinen zu kommen.» 

Kommt diese Haltung aus dem Spitzensport? 
Das Mindset aus dem Sport hat mir sehr geholfen. In Bellikon gab es aber auch Menschen ohne Sporthintergrund, die mir genau diese Haltung vorlebten.

Wie wichtig ist das Umfeld für die Genesung?
Das Umfeld hat mir sehr geholfen: Eltern, Schwester, Freundin, Kollegen, der Verband Swiss Sliding. Viele besuchten mich in der Klinik. Meine Freundin Sina machte mit mir kleine Spaziergänge und übernahm die ganze Hausarbeit. Für die Unterstützung des gesamten Umfelds bin ich unglaublich dankbar. Ohne all diese Personen wäre ich heute viel weniger weit.

Wie wichtig ist das miteinander Sprechen?
Sina und ich begannen, ganz offen über negative Sachen zu sprechen. Immer wieder haben wir den Unfall thematisiert, was war und was noch kommen könnte. Noch heute sprechen wir sehr offen Themen an, die uns Probleme bereiten oder jemanden von uns stören. 

Wie hat dich der Unfall verändert? 
Ich bin deutlich dankbarer geworden: Für die professionelle Arbeit des Pflegepersonals zum Beispiel. Oder dafür, endlich den Gehstock abgeben zu dürfen. Am liebsten hätte ich ihn schon nach einer Woche in eine Ecke geschleudert. Nach sieben Monaten war es dann so weit. 

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Ein gemeinsamer Spaziergang: vor kurzer Zeit unvorstellbar.
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Sandro ist sehr zufrieden mit seiner gesteigerten Leistung.

Tipps von Sandro

  • Kontakt aufnehmen: Besuche die verunfallte Person, ruf an oder schreibe ihr. Ich habe dadurch gemerkt: Die Leute kümmern sich um mich – der Unfall hat auch sie berührt.
  • Im Kleinen unterstützen: Ist die verunfallte Person zuhause und in der Mobilität eingeschränkt, hilf mit kleinen Gesten. Bring etwa ein Paket zur Post oder kaufe etwas ein. Schon das Angebot zählt.
  • Fortschritte dokumentieren: Mach immer wieder kurze Videos. Die verunfallte Person nimmt Fortschritte oft nicht selbst wahr. Beim Rückblick nach zwei bis drei Wochen wird der Fortschritt plötzlich sichtbar.

Was sagt das Umfeld

Dass Sandro Michel so rasch wieder auf die Beine kam, verdankt er auch seinem Umfeld. Die Suva lässt neun Personen zu Wort kommen und fragt nach Tipps.

 

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