Knie mit Beschriftung Meniskus DE
30. Juni 2022 | von Hannjörg Koch

Die Menisken des Kniegelenks und ihre versicherungsmedizinische Betrachtung

Inhalt

      Funktion

      Die Menisken liegen als semizirkuläre Faserknorpelscheiben zwischen Femurkondylen und Tibiaplateau [2] (Abb. 1). Ihre proximale Oberfläche ist konkav, die distale Unterfläche ist nahezu plan. Die Menisken sind verformbar und passen sich der Anatomie des Femurs an. Der Aussenmeniskus ist annähernd rund und bedeckt eine größere Fläche des Schienbeinkopfes als der Innenmeniskus. Die Fixation erfolgt über die Gelenkkapsel sowie über kurze straffe Bänder, als Meniskuswurzeln, ausgehend von Vorderhorn und Hinterhorn, die in die Areae intercondylares anterior et posterior der Tibia einstrahlen. Der Innenmeniskus ist fest mit dem Innenband verwachsen. Der Aussenmeniskus ist stärker beweglich, er liegt dem konvexen aussenseitigen Schienbein auf und folgt der Gelenkfläche des Oberschenkelknochens besser. Er ist von Läsionen weniger häufig betroffen. Eine Verbindung des Hinterhorns des Aussenmeniskus besteht zusätzlich mit dem medialen Femurkondylus über die Ligg. meniscofemorale anterius (Humphrey) und posterius (Wrisberg) [3]. In unterschiedlicher Ausprägung findet sich anterior das Lig. transversum, welches die Meniskusvorderhörner verbindet und im Kernspintomogramm mit einer Läsion verwechselt werden kann [4].

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      Abb. 1: Transversaler Schnitt durch das Kniegelenk mit Aufsicht auf die Tibia.
      ◯ Areal der Meniskusrampe posterior des Hinterhorns des medialen Meniskus.
      ©statdx.com, Verlag Elsevier

      In der Literatur herrscht Einigkeit zur Bedeutung intakter Menisken für die physiologische Kniegelenksfunktion. Sie stabilisieren passiv das Gelenk, fördern die Kongruenz der Gelenkpartner und sind damit wesentlich für die gleichmässige Verteilung auf das Gelenk einwirkender Kräfte. Die beschleunigende und verstärkende Wirkung einer auch partiellen Meniskektomie auf die weitere Entwicklung eines sogenannten meniskopriven Kniegelenkverschleisses ist unbestritten [5, 6].

      Besondere Bedeutung wird dem Effekt der Ringzugspannung (hoop tension) beigemessen, unter der die Menisken unter physiologischen Bedingungen stehen. Ein Verlust dieser Spannung, wie er bei Wurzelläsionen und bei Unterbruch der Randleiste mit ihren zirkulär verlaufenden Kollagenfasern auftritt, kommt biomechanisch einer vollständigen Entfernung des Meniskus gleich [7].

      Genese

      Nach Hempfling entsprechen Zusammenhangstrennungen von Meniskusgewebe einem multikausalen Geschehen, eine alleinige Druckbelastung bewirke keinen Meniskusriss [2]. Häufig ist die Kombination mit Zerreissung des vorderen Kreuzbands; dabei ist bevorzugt das Hinterhorn des Aussenmeniskus, seltener der Innenmeniskus betroffen [8]. Dagegen manifestieren sich Folgen einer fortbestehenden Kreuzbandinsuffizienz, also sekundär degenerativ, insbesondere am Innenmeniskus [9].


      Im versicherungsmedizinischen Kontext bieten Kombinationsverletzungen selten Anlass für Diskussion im Gegensatz zu den isolierten Läsionen der Menisken, die in der Literatur klar als Ausnahme gewertet werden («Meniscus tears rarely occur in isolation») [10], denn in der Regel seien Traumafolgen an den Menisken «Begleitverletzungen bei knöchernen und/oder ligamentären Schäden» [2].


      Als wesentliche Voraussetzungen für deren «Rissbereitschaft» werden einerseits Vorschädigungen des Meniskus sowie andererseits das «Auftreten von Scher- und Zugkräften, Kombination von maximaler Beugung, gleichzeitiger Drehung des Kniegelenks mit nachfolgender Streckung ohne Schlussrotation» [2] gefordert. Auch Siebert und Mitarbeitende beschreiben das Knieverdrehtrauma mit axialer Belastung und kombiniert einwirkenden Rotationsscherkräften als Mechanismus, der eine traumatische Verletzung von Menisken zu bewirken vermag [8]. Ein Beispiel ist das Abdrehen des Oberkörpers über den im Skischuh fixierten Unterschenkel ohne Möglichkeit, bei anliegendem Ski der Drehbewegung zu folgen. Der als Drehsturz bezeichnete Ablauf gilt als Mechanismus, der eine auf das Kniegelenk einwirkende Gewalt begründen könnte, die ausschliesslich die Menisken und nicht die Begleitstrukturen trifft [2].

      Medical Korbhenkelläsion des medialen Meniskus.png

      Abb. 2: Korbhenkelläsion des medialen Meniskus
      ©statdx.com, Verlag Elsevier

      Hempfling benennt aber auch die Möglichkeit, dass bei Vorschädigung oder bei Verletzungen des Innenbandapparates eine Meniskusläsion «nicht durch Rotationsmechanismen bei Kniebeugung, sondern erst durch Einklemmung des Meniskus, bei der aus der Beugung heraus notwendigen Streckung» auftreten könne [2]. In diesem Zusammenhang verweist der Autor auf den Korbhenkel als Sonderform der Meniskusläsion (Abb. 2). Diese wird gehäuft zusammen mit vorderen Kreuzbandverletzungen beobachtet, wobei ein Auftreten sowohl gleichzeitig als auch erst infolge einer Instabilität beschrieben wird [11].


      Tsujii und Mitarbeitende erklären unter Verweis auf Literatur, «Clinically, meniscal dysfunction is mostly caused by tear based on degeneration» [12], wobei naturgemäss degenerativ bedingte Meniskusläsionen vermehrt im höheren Lebensalter auf- und gegenüber rein traumatischen Ursachen in den Vordergrund treten [7]. Für männliche Personen über 60 Jahren und bei arbeitsbezogenem Knien oder Hocken von mehr als einer Stunde pro Tag wird ein 2,3-3-fach erhöhtes Risiko beschrieben, eine degenerative Meniskusläsion zu erleiden [13]. Traumatische Zerreissungen sind dagegen vorwiegend im Alter zwischen 10 und 30 Jahren zu beobachten [3, 14], treten vorwiegend als Längs- oder Radiärrisse auf und setzen nach Siebert und Mitarbeitenden «eine Bewegung des Gelenks über die physiologisch vorgegebenen Grenzen hinaus voraus» [8].


      Allerdings gilt es zu beachten, dass sich degenerative Veränderungen der Menisken in relevantem Ausmass, und insbesondere mit zunehmendem Lebensalter, für die Betroffenen auch unbemerkt entwickeln können, wie dies kernspintomografische Untersuchungen von beschwerdefreien Personen aufzeigen [15]. So stellt Hempfling fest, «Stummverlaufende Meniskusveränderungen finden sich auch bei Kniegesunden. Sie sind funktionell nicht relevant und unfallunabhängig» [2].


      Gesonderte Betrachtung verlangen Läsionen der kurzen Bänder, die als Meniskuswurzel die Vorder- und Hinterhörner der Menisken mit dem zentralen Tibiaplateau des Unterschenkels verbinden. Meniskuswurzelläsionen werden definiert als ossäre oder ligamentäre Avulsionen bzw. radiale Läsionen, wenn diese innerhalb von 1 cm im Bereich der Ansatzstelle auftreten. Diese Pathologien gehen für den medialen Meniskus mit einem Verlust der Ringzugspannung einher, der biomechanisch einer vollständigen Entfernung des Meniskus gleichkommt. Für den Aussenmeniskus gilt dies vergleichbar, wenn zusätzlich zur Wurzel auch das posteriore meniskofemorale Ligament (Wrisberg) betroffen ist [16].


      Beschrieben werden diese Läsionen als meist chronisch und sekundär degenerativ, aber auch als mögliche Folge einer akuten Gewalteinwirkung. Im Allgemeinen werden zwei Entitäten von Meniskuswurzelläsionen unterschieden. Zum einen handelt es sich um akute Verletzungen hauptsächlich der posterolateralen Wurzel, also des aussenseitigen Meniskus, die meist als Folge von Kontaktunfällen zusammen mit weiteren Bandverletzungen, typischerweise des vorderen Kreuzbands auftreten, und vor allem jüngere männliche Personen betreffen. Zum anderen ist die Genese degenerativ. Hier ist hauptsächlich die posteromediale Wurzel, also des innenseitigen Meniskus betroffen [16].


      Von den posterioren Wurzelläsionen ist eine Zusammenhangstrennung zwischen dem Hinterhorn des medialen Meniskus und seiner fächerförmigen Befestigung am posterioren Tibiaplateau (Abb. 1; ◯), als meniskoligamentäre Übergangszone, abzugrenzen, welche als Rampenläsion bezeichnet wird [17]. Die Schwierigkeit ihrer Diagnostik findet Niederschlag in der im englischen Sprachgebrauch auch verwendeten Beschreibung als «hidden lesion». Diese Läsionen werden hauptsächlich in Kombination mit einer Verletzung des vorderen Kreuzbands beobachtet; Seil und Mitarbeitende führen unter Verweis auf Literatur aus, «Ähnlich der Impressionsfraktur am lateralen Femurkondylus […] sowie der Wurzelläsion des Außenmeniskus ist die Rampenläsion eine nicht selten auftretende Begleitläsion [bei VKB-Rupturen]. Diese 3 Läsionstypen sind alle in etwa 20–25% der VKB-Verletzungen zu beobachten» [18].

      Versicherungsmedizinische Betrachtung

      Im Sozialversicherungsrecht der Schweiz ist bei der Frage des natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen einem schädigenden Ereignis und einer gesundheitlichen Störung das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit anzuwenden (BGE 129 V 177). Bei diesem Beweismass genügt es, «wenn das Gericht aufgrund der Würdigung aller relevanten Sachumstände, mithin nach objektiven Gesichtspunkten, zur Überzeugung gelangt ist, dass [ein bestimmter Sachverhalt] der wahrscheinlichste aller in Betracht fallenden Geschehensabläufe - bei zwei möglichen Sachverhaltsvarianten: die wahrscheinlichere - ist» (Urteil des BGer 9C_717/2009 vom 20.10.2009). Versicherungsmedizinisch sind somit bei gegebenen Optionen zur Kausalität eines Zustands deren Wahrscheinlichkeiten und mithin das Überwiegen der Wahrscheinlichkeit für eine der Erklärungsmöglichkeiten einzuschätzen [19].


      Als Ursachen von Meniskusläsionen werden in der Literatur übereinstimmend Trauma, primäre Degeneration oder wiederholtes Mikrotrauma angegeben [3, 8, 10]. Um vor dem versicherungsmedizinischen Hintergrund zu einer Einschätzung der Genese einer zur Diskussion stehenden Meniskusläsion zu gelangen, sind somit die Wahrscheinlichkeiten für diese drei möglichen Optionen im Einzelfall zu betrachten. Ein wiederholtes Mikrotrauma könnte im versicherungsmedizinischen Kontext Relevanz als Berufskrankheit entwickeln, wobei für eine Anerkennung gemäss Art. 9 Abs. 2 UVG, welcher bei einer Meniskusläsion anwendbar wäre, eine vierfach höhere Inzidenzrate in der spezifischen Berufsgruppe gegenüber der Allgemeinheit gefordert ist, um das Kriterium der ausschliesslichen oder stark überwiegenden Verursachung durch die berufliche Tätigkeit bejahen zu können (BGE 116 V 136 E. 5c, Urteil des BGer 8C_746/2012 vom 29.10.2012). Von den Berufskrankheiten abgesehen, fallen in die Zuständigkeit der Unfallversicherung somit lediglich Folgen eines im Rahmen eines definierten versicherten Ereignisses erlebten Makrotraumas. Dabei ist eine Zuständigkeit aber gemäss Art. 36 UVG bereits dann gegeben, wenn das versicherte Unfallereignis vorbestehende, also unfallunabhängige Pathologien verschlimmert oder erst symptomatisch werden lässt. So kann der Unfall zu einer «acute on chronic» Situation beitragen, was, wenngleich nur teilkausal, und sofern überwiegend wahrscheinlich, die Übernahmeverpflichtung des Kostenträgers UVG begründet [19]. Diese Leistungspflicht trifft den Unfallversicherer aber nur so lange, als die von der versicherten Person geklagten Beschwerden natürlich (und adäquat) kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Die vom Unfallversicherer einmal anerkannte Leistungspflicht entfällt, wenn dieser nachweist, dass der Gesundheitszustand erreicht ist, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (Status quo ante) oder wie er sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine; Urteil des BGer 8C_589/2017 vom 21.2.2018).


      Gleichwohl ist der von Weber formulierte Hinweis zu beachten, dass ein bisher stummer Vorzustand in manchen Fällen als neu eingetretene Verletzung und beschwerdeerklärend interpretiert wird, obwohl es nicht der Meniskus, sondern allgemein arthrotische Veränderungen sind, die zu den angegebenen Schmerzen führen [20]. Hierauf machen auch Becker und Mitarbeitende in ihren Ausführungen zu differenzialtherapeutischen Erwägungen aufmerksam [13].


      Auf die Besonderheiten des Art. 6 Abs. 2 UVG in den Fällen, in denen kein Unfall gemäss gesetzlicher Definition nach Art. 4 ATSG vorliegt, soll mit dieser Übersicht nicht weiter eingegangen werden; hierzu wurde in dieser Zeitschrift bereits berichtet [21]. Allerdings sind gerade in Bezug auf die hiermit zu berücksichtigenden «Listendiagnosen» die in der Literatur, beispielsweise von Siebert und Mitarbeitenden verwendeten Bezeichnungen als «Meniskusläsion» oder gar «Meniskuserkrankung» bedeutsam [8]; weisen sie doch auf die Wichtigkeit sprachlicher Genauigkeit hin, die speziell im versicherungsmedizinischen Kontext anzustreben ist. Das Beispiel des Begriffs «Riss», der der Beschreibung einer akuten, als Folge einer plötzlichen Gewalteinwirkung eintretenden Zusammenhangstrennung von Gewebe vorbehalten ist, verdeutlicht dies, worauf ebenso das Bundesgericht aufmerksam macht (Urteil des BGer 8C_382/2020 vom 03.12.2020). Unter dem Stichwort «Riss» liefert der Pschyrembel zahlreiche Beispiele von «Rupturen» [22], und tatsächlich bezeichnet eine «Zerreissung», die im Pschyrembel angegebene Bedeutung einer «Ruptur» nicht nur das Ergebnis, sondern «auch und vor allem einen akuten Vorgang, der zu einer plötzlichen Zusammenhangstrennung führt» [23].

      Traumatisch

      Eine akute Gewalteinwirkung, welche eine Zerreissung von Menisken im Inneren des Kniegelenkes bewirkt, lässt eine unmittelbar einsetzende Schmerzhaftigkeit erwarten und die betroffene Person zeitnah ärztliche Hilfe aufsuchen [10]. Der Schilderung des Ablaufs ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen, hat dieser doch, um eine, insbesondere isolierte, Meniskusverletzung bewirken zu können, biomechanisch definierte Komponenten zu enthalten, wie oben ausgeführt. Es ist jedoch zu beachten, dass dies im bejahenden Fall und in der Regel nur die Möglichkeit einer Verletzungsfolge eröffnen kann. Bei dislozierten Meniskusrupturen bestehen häufig lokale belastungsabhängige Schmerzen, Ergussbildung, Blockierungen, Bewegungseinschränkung, Streckdefizit mit endgradigem Schmerz [8]. In die Bewertung einer allfällig kausal stattgehabten Gewalteinwirkung sind weitere Zeichen einer Verletzung, zum Beispiel Hämatom, Prell- oder Quetschmarken, Schürfungen oder Platzwunden, einzubeziehen. In der akuten Situation ist allerdings die klinische Untersuchung des frisch verletzten Kniegelenks häufig von eingeschränktem Erkenntnisgewinn [24] und sollte in dem Bemühen erfolgen, den Patienten nicht einer unnötig schmerzhaften Prozedur zu unterziehen. Eine diffus ubiquitäre Schmerzhaftigkeit lässt eine differenzierte Testung kaum zu. Dabei sind aber die Fälle nach erheblicher relevanter Gewalteinwirkung, vor allem, wenn sich im Weiteren Kombinationsverletzungen feststellen lassen, nicht die typischerweise versicherungsmedizinisch strittigen

      Zur klinischen Diagnostik der Menisken steht eine Vielzahl spezifischer Funktionsprüfungen zur Verfügung [25], deren Aussagekraft durch Kombination zu optimieren ist. Hashemi und Mitarbeitende bewerten die Klinik, wenn von einer erfahrenen Fachperson erhoben, als der Kernspintomografie mindestens ebenbürtig [25], was insbesondere die Bedeutung zeitnah unauffällig ausfallender Testungen hervorhebt

      Die Indikation einer kernspintomografischen Untersuchung wird in der Literatur nicht einheitlich gesehen [1, 8]. Gleichwohl gehört diese Untersuchungsmethode bei versicherungsmedizinischen Fragestellungen fast regelhaft zum Repertoire der zur Verfügung gestellten Informationen. Können damit zwar mit hoher Zuverlässigkeit Meniskusläsionen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zur Darstellung gebracht und überdies intrameniskale Veränderungen erkannt werden, die sich dem arthroskopischen Augenschein entziehen, so lässt dies aber alleine keinen belastbaren Rückschluss auf deren Ursache und, wie oben ausgeführt, auch nicht auf eine Beschwerdeursächlichkeit zu [2].

      Die Wertigkeit eines kernspintomografisch häufig als «bone bruise» bezeichneten Befunds ist insofern schon zweifelhaft, weil in dieser Diktion mit einem computerrechnerisch erstellten bildgebenden Signal bereits die Ursache als bruise, also Prellung mitgeliefert wird. Schmidt und Mitarbeitende bezeichnen dies korrekter als Knochenmarködem, welches unterschiedliche und voneinander zu trennende Ätiologien aufweist; zudem nimmt dessen Nachweisbarkeit als mögliche Folge einer Gewalteinwirkung naturgemäss mit zunehmend verstreichender Zeit bis zur Bildgebung ab [26]. Pezeshki und Mitarbeitende fanden für eine Läsion des medialen Meniskus eine umgekehrte Korrelation, das heisst ein von den Autoren als bone bruise bezeichnetes Signal ging statistisch mit einem geringeren Risiko für eine Verletzung des Meniskus einher (p = 0,004), für den Aussenmeniskus war dies nicht signifikant [27]. Das heisst, mit der Abwesenheit eines Knochenmarködems alleine lässt sich die Möglichkeit einer traumatischen Schädigung des medialen Meniskus nicht ausschliessen.

      Ebenso ist die Bedeutung der Arthroskopie in der ätiologischen Bewertung einer Meniskusläsion lediglich bei kurzfristiger Anwendung nach einem fraglich auslösenden Trauma von Relevanz, was aber in der Praxis und im kurativen Rahmen meist zu Recht, nicht die Regel ist. Hempfling hält den arthroskopischen Befund nur bei einer «traumatisch bedingten, rezenten, maximal bis zwei Wochen alten Meniskusruptur» für aussagekräftig [2]. Zwar ist ein Hämarthros hinweisend auf eine strukturelle Verletzung, aber alleine weder ein Beleg für, noch, bei Abwesenheit, gegen eine Zerreissung von Menisken.

       

      Degenerativ

      Degenerative Veränderungen beginnen typischerweise innerhalb des Meniskus, begleitet von Auffaserungen des in das Gelenk dünn auslaufenden Innenrandes [12] (Abb. 3). Die kernspintomografische Einteilung degenerativer Meniskusschäden definiert drei Grade [28]. Mukoid-degenerative Areale, welche sich als eine Kollektion von mukopolysaccharider chondraler Grundsubstanz in gestresstem fibrokartilaginärem Meniskusgewebe ausdehnen, erreichen im Grad III schliesslich die Meniskusoberfläche, was mit einer dann auch arthroskopisch erkennbaren Läsion korreliert.

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      Abb. 3: Meniskusdegeneration
      ©statdx.com, Verlag Elsevier

      Dementsprechend werden horizontale Signalstörungen in der Literatur als typischerweise degenerativ bewertet [7, 10], und sind Ausdruck einer Texturstörung des Meniskus, wobei «aufgrund des degenerativ veränderten Meniskusgewebes» auch Mischformen verschiedener Läsionstypen auftreten [29].
      Beispielhaft wird ein kernspintomografischer Verlauf in einem Konsenspapier der European Society of Sports Traumatology, Knee Surgery, Arthroscopy ESSKA aufgezeigt (Abb. 4) [1]. Der Befund wird als im Inneren des Meniskus gelegenes lineares Signal beschrieben, welches im Weiteren mit der Oberfläche kommuniziert; komplexere Läsionsmuster könnten ebenfalls auftreten («A more complex tear pattern in multiple configurations may also occur»). Weiter führen die Autoren aus, «Such meniscus lesions are frequent in the general population and are often incidental findings on knee MRI» [1].

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      Abb. 4: Entwicklung einer degenerativen Meniskusläsion, kernspintomografischer Verlauf.
      Vgl. Abb. 3. Aus Beaufils P et al. 2017 [1] (open access).

      Histologische Untersuchungen konnten zeigen, dass bereits in der 2. Lebensdekade eine Fetteinlagerung in die Meniskuszellen beginnt, wobei dies «zunächst als ein physiologischer Prozess anzusehen» sei, und mit fortschreitendem Lebensalter zu einer diffusen Verfettung führt [30]. Solchermassen anhand histologischer Untersuchungen erhobene Befunde können nicht mit dem menschlichen Auge differenziert werden, eine Arthroskopie bietet somit auch in dieser Hinsicht keine Vorteile, da die beschriebenen Veränderungen zum einen hiermit weder eindeutig zu beweisen noch zu verwerfen sind, zum anderen auch ein degenerativ vorgeschädigter Meniskus zusätzlich eine strukturelle Verletzung erfahren kann.

      Konkretes Vorgehen zur versicherungsmedizinischen Bewertung

      Die akute Gewalteinwirkung gilt neben Alterungsvorgängen und der wiederholten Mikrotraumatisierung als eine von drei möglichen Ursachen für die Entstehung von Meniskusläsionen [10]. Sofern eine solche Pathologie als überwiegend wahrscheinliche Erklärung für geltend gemachte Beschwerden erkannt ist, ist das für deren Entstehung angegebene Ereignis in Bezug auf seine grundsätzliche Eignung zu bewerten. Zum einen ist dies bei eingetretenen Verletzungen weiterer Strukturen, zum Beispiel einer Zerreissung des vorderen Kreuzbandes, zumeist einfach zu beantworten. Zum anderen sind die biomechanischen Voraussetzungen einer isolierten Ruptur eines Meniskus, anders als im Beispiel der Rotatorenmanschette der Schulter, enger gefasst [8].

      Die weitere Diskussion eines unfallbedingten Kausalzusammenhangs erübrigt sich, sofern der inkriminierte Ablauf mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine hierdurch bewirkte Meniskusläsion ausschliesst. Die einzig anderslautende Erkenntnis kann gleichwohl, alleine betrachtet, lediglich die Möglichkeit einer solchen Verknüpfung von Ursache und Wirkung postulieren, was dem anzuwendenden Beweismass nicht genügt. Um überzeugend begründet der versicherungsmedizinischen Aufgabe gerecht zu werden, für eine der infrage kommenden Erklärungsoptionen eine Wahrscheinlichkeit zu beschreiben, die grösser ist, als die jeder einzelnen anderen, ist es von herausragender Wichtigkeit, den zur Diskussion stehenden Einzelfall mit seinen individuellen Besonderheiten zu würdigen; weswegen auch epidemiologische Daten, zum Beispiel Prävalenzen, im mediko-legalen Kontext nur von begrenztem Nutzen sind. Denn diese stützen sich auf Stichproben und deren Extrapolation, um auf dieser Basis zu verallgemeinernden Aussagen zu gelangen [19]. Gleichwohl sind in diesem Bewusstsein alle verfügbaren Informationen wie Lebensalter, Vorzustand, Risikofaktoren sowie prädisponierenden Tätigkeiten angemessen zu berücksichtigen.

      Beachtung verlangt ebenso die Dynamik des klinischen Verlaufes. Ein Beschwerdemaximum zeitnah zum angeschuldigten Geschehen mit im Weiteren Abnahme wird in der versicherungsmedizinischen Literatur, im Gegensatz zu einem «Crescendo», einem traumatischen Geschehen zugeordnet. Thomann und Mitarbeitende erklären: «Die zeitliche Eingrenzung der unfallinduzierten Symptomatik ist unproblematisch, wenn ein zeitgerechter unfalltypischer "Decrescendoverlauf" vorliegt» [14].

      Das Bundesgericht verwendet das Bild der «"Aussagen der ersten Stunde", wonach die ersten Aussagen nach einem schädigenden Ereignis in der Regel unbefangener und zuverlässiger sind als spätere Angaben, die bewusst oder unbewusst von nachträglichen Überlegungen versicherungsrechtlicher oder anderer Art beeinflusst sein können», um auf die Bedeutung des Faktors Zeit hinzuweisen (Urteil des BGer 8C_609/2017 vom 27.03.2018 mit Hinweis auf BGE 121 V 47). Zwar bezieht sich das Bundesgericht in diesem Urteil auf die Schilderungen zu einem strittigen versicherten Ereignis, so kann die Analogie tatsächlich aber noch weiter gefasst werden; denn Kausalitätsfragen sind umso sicherer zu beantworten, je früher nach einem zur Diskussion stehenden Geschehen Informationen erhoben werden und diagnostische Massnahmen erfolgen [19].

      So ist auch die Wertigkeit von medizinischen Befunden stark abhängig von dem zeitlichen Intervall, welches zwischen Unfallgeschehen und deren Erhebung verstreicht. Die Beispiele der diagnostischen Schnittbildgebung und allfälliger arthroskopischer Eingriffe sind, alleine aufgrund der für eine kurative Zielsetzung sinnvollen Abläufe in der Praxis, in vielen Fällen ohne relevanten versicherungsmedizinischen Beitrag.

      Zentral für die Kausalitätsbewertung eines versicherten Ereignisses sind die sich unmittelbar anschliessend ergebenden Folgen, wie sie mit Berichten über ärztliche Konsultationen und Zeugnissen zur Arbeitsfähigkeit zu belegen sind: Wird die Arbeit niedergelegt, beziehungsweise unter welchen Bedingungen fortgesetzt, wann wird erstmalig ärztliche Hilfe gesucht und welche anamnestischen Angaben und Befunde mit welchen Konsequenzen werden hierbei erhoben [19]? Eine besondere Verantwortung fällt somit den erstbehandelnden Ärztinnen und Ärzten zu, da sich fehlende Informationen und nicht erhobene, mindestens aber nicht dokumentierte Befunde zum Nachteil der behandelten Patientinnen und Patienten auswirken. Denn im Sozialversicherungsrecht fällt ein Entscheid bei Beweislosigkeit im Zusammenhang mit der Frage nach dem Vorliegen der natürlichen Kausalität zu Ungunsten der versicherten Person aus (Urteil des BGer 8C_351/2019 vom 17.09.2019).

      Danksagung: Zu danken ist Frau Nicole Pfrunder, Rechtsabteilung und Herrn Peter A. Bülow für die Diskussion und Durchsicht des Manuskripts.

      Korrespondenzadresse

      PD Dr. med. Hannjörg Koch, MAS Versicherungsmedizin
      Suva Versicherungsmedizin

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