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26. November 2019 | von Esther Galliker

Stress am Arbeitsplatz erhöht das Unfallrisiko

Stress am Arbeitsplatz bewirkt, dass wir Gefahren weniger gut erkennen. Lesen Sie hier, wie Stress und Unfallrisiko zusammenhängen und was Sie dagegen tun können.

Inhalt

Es ist Frühsommer, die Auftragslage auf dem Bau ist gut. Sandro Zimmermann, der 25-jährige Maurer, arbeitet aktuell von 6.30 Uhr bis 18.00 Uhr. Am Freitagmorgen wird Sandro zum Chef gerufen: «Wir haben ab Montag einen grossen zusätzlichen Auftrag. Die Mauer auf der Baustelle im Dorf muss darum heute unbedingt fertig werden.» Nach dem Gespräch fährt Sandro eilig zur Baustelle. Als er schon auf dem Treppenabsatz des Baugerüstes steht, ruft der Chef nochmals an.  «Hallo Chef», kann Sandro gerade noch sagen, da verliert er die Balance und fällt über mehrere Treppenstufen zu Boden. Das Schlüsselbein ist gebrochen. Er wird acht Wochen bei der Arbeit fehlen.

 

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Ob auf Treppen oder Leitern: Stress erhöht das Unfallrisiko

Stress beeinträchtigt die Sinne und den Körper

Urs Näpflin, Präventionsspezialist der Suva, erklärt: «Man kann sich das menschliche Hirn wie einen Computer vorstellen, der gleichzeitig verschiedene Aufgaben übernimmt und bei zu vielen Aufträgen einen überlasteten Arbeitsspeicher hat.» Wird das Hirn also durch komplexe Aufgaben beansprucht, vernachlässigt es andere Funktionen. Näpflin führt dazu aus: «Riskante Situationen auf der Baustelle werden nicht wahrgenommen oder unterschätzt. Zudem lassen die motorischen Fähigkeiten nach, welche für die Balance benötigt werden». Ein zusätzliches Schlafdefizit erhöht das Risiko zu verunfallen.

Wie wissenschaftliche Studien belegen, kann Stress auch die Sinne beeinträchtigen: Man ist weniger aufmerksam, die Erinnerungsleistung und auch die Konzentration lassen nach. Dies führt so zu einem stark erhöhten Unfall- und Verletzungsrisiko, wie der Präventionsspezialist betont.

Die Suva geht davon aus, dass arbeitsbedingter Stress in etwa 17 Prozent der Unfälle eine zentrale Rolle spielt. Denn etwa ein Drittel der Beschäftigten in der Schweiz gibt eine hohe bis sehr hohe Belastung im Beruf an. Und Zeitdruck beispielsweise erhöht das Unfallrisiko um das 1,5-Fache, Konflikte (z.B. auf dem Bau) um das 1,8-Fache.

Was ist eigentlich Stress?

Doch was ist eigentlich Stress? Eine vorübergehende Hektik und eine lange Taskliste mögen stressig sein, lösen aber nicht zwingend Krankheiten aus. Stress ist ein persönliches Empfinden, das entsteht, wenn die Balance zwischen äusseren Anforderungen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen eines Menschen nicht ausgeglichen ist. Es gibt also kein allgemeingültiges Mass dafür, was Stress ist und auch nicht alle empfinden belastende Situationen gleich. Gerät die Balance zwischen Anforderungen und Ressourcen nur kurzfristig ins Wanken, kann sich der Mensch gut davon erholen. Schwieriger und auch gefährlicher wird es, wenn bestimmte Stressoren über längere Zeit aktiv sind und sich überlagern.

Wie hängen Stress und Unfälle zusammen?

Wie Urs Näpflin erklärt, sind in unserem Beispiel die langen Arbeitstage, der frühe Arbeitsbeginn, der Zeitdruck und das Multitasking gleich mehrere Stressoren, die über mehrere Tage oder gar Wochen auf Sandro Zimmermann einwirken und gleichzeitig mit dem Telefonanruf dazu führen, dass Sandro abstürzt.
Jedoch bereits kurzfristige Stressmomente mit weniger Stressoren können das Unfallrisiko erhöhen. Ein kurzer Moment der Ablenkung oder der Hektik kann schon riskante Situationen hervorrufen und zu Unfällen führen: Das kann passieren, wenn man in der Eile noch schnell die Strasse überquert und eine Velofahrerin übersieht. Oder wenn man die Treppe runterrast, den letzten Tritt verpasset und stürzt. Näpflin ergänzt in diesem Zusammenhang: «Beruflich bedingter Stress erhöht nicht nur das Risiko eines Berufsunfalls, sondern auch das eines Freizeitunfalls.» So zeigen Studien, dass Personen, welche sich in der Arbeit oft und stark konzentrieren müssen, ein 1,5-faches Unfallrisiko für Stürze in der Freizeit haben.

Was sind die Ursachen von Stress?

Eine Spezialstudie des Staatssekretariats für Wirtschaft von 2017 nennt Stress eines der grössten Probleme Erwerbstätiger. Dabei sind im Zusammenhang mit Unfällen bzw. Verletzungen folgende Faktoren relevant: 

  • Hohes Arbeitstempo (mind. ¼ der Zeit)
  • Arbeitstage von mehr als 10 Stunden
  • Termindruck (über 1/4 bis 3/4 der Zeit)
  • Kurze, sich wiederholende Tätigkeiten (von weniger als 10 Minuten)
  • Unterbrechungen wegen unvorhergesehenen Aufgaben
  • Freizeitarbeit, um Anforderungen im Beruf zu erfüllen

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