GettyImages-1447133388_angesetzt_Header.jpg
Iris Herzog-Zwitter
26.09.2025

Handbuch Arbeits(un)fähigkeit – medizinische und rechtliche Aspekte

Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit – Wissen für Juristinnen und Juristen sowie Medizinerinnen und Mediziner

Dieser Artikel ist auch als PDF-Download verfügbar.

Inhalt

Autorenschaft

Dr. iur. Iris Herzog-Zwitter, Bildungsbeauftragte Swiss Insurance Medicine, FMH-Rechtsdienst

Als Bildungsbeauftragte der Swiss Insurance Medicine (SIM) fokussiere ich meinen Tätigkeitsbereich auf die interdisziplinäre Schnittstelle von Medizin und Recht. Ein Thema – die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit/Arbeitsunfähigkeit im Querschnitt im Behandlungsalltag – stellt an genau dieser Schnittstelle sowohl für Medizinerinnen und Mediziner als auch für Juristinnen und Juristen eine fachliche Herausforderung dar.

Gemeinsam mit Prof. Dr. iur. Hardy Landolt wollen wir beide deshalb mit unserem neu erschienen Werk das Zusammenwirken der Fachdisziplinen Medizin und Recht unterstützen, indem wir insbesondere die spezifischen Besonderheiten der Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit einzelner medizinischer Fachdisziplinen und der verschiedenen Rechtsgebiete in einem gemeinsamen Handbuch darlegen.

Das vorliegende Handbuch  gibt einen umfassenden Überblick über die Bedeutung und Handhabung des Begriffes der Arbeits(un)fähigkeit in der medizinischen und juristischen Praxis. Der Fokus des Handbuchs liegt auf der Beurteilung des Querschnitts – der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit im klinisch-praktischen Alltag. Die Qualität der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit im konkreten Fall im Querschnitt ist die Grundlage für eine allfällige gutachtliche Beurteilung im Längsschnitt. Im Handbuch wird ebenfalls der Übergang vom Querschnitt zum Längsschnitt bei der Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit aus gutachtlicher Sicht besprochen.

Wir als Herausgeber haben die Autorinnen und Autoren aus Medizin und Recht gebeten, die spezifischen Besonderheiten ihres Themenbereiches darzustellen.

Seitens der Medizin zeigen die Autorinnen und Autoren aus den verschiedensten Fachdisziplinen die Besonderheiten ihres jeweiligen Fachgebietes auf. In tatsächlicher Hinsicht hat die Medizinerin oder der Mediziner zu entscheiden, ob eine gesundheits- bedingte Beeinträchtigung besteht, die das funktionelle Leistungsvermögen des betroffenen Menschen einschränkt. Er oder sie hat die Art und den Umfang der funktionellen Einschränkung zu umschreiben, damit im Anschluss der Jurist oder die Juristin entscheiden kann, ob die gesundheitliche Beeinträchtigung und die daraus resultierenden funktionellen Einschränkungen genügen, um die jeweilige juristische Arbeitsunfähigkeit bejahen zu können. Aus medizinischer Sicht sind die geltenden Grundsätze unter anderem in Leitlinien und Beurteilungskriterien hinsichtlich der funktionellen Einschränkungen etc. für die Feststellung der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der daraus resultierenden funktionellen Einschränkungen zu beschreiben. Sofern Standards in der Medizin für die Beurteilung eines bestimmten Arbeitsunfähigkeitsbegriffes in der Praxis herausgebildet sind, sind diese ebenfalls zu beschreiben.

Um den Grad der Arbeits(un)fähigkeit beurteilen zu können, sind Rechtsanwenderinnen und -anwender, sei es die Verwaltung oder das Gericht, auf die Beurteilung der Ärztin oder des Arztes angewiesen. Die ärztliche Beurteilung der gesundheitsbedingten funktionellen Leistungsfähigkeit respektive deren Einschränkung ist eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen der versicherten Person noch zugemutet werden können. Die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, welche Tätigkeiten in welchem Umfang die versicherte Person in der Lage ist auszuführen, ohne dabei die eigene Gesundheit oder diejenige anderer zu gefährden. Dabei soll nicht pauschal von der Diagnose auf die Arbeitsfähigkeit geschlossen werden. Vielmehr ist detailliert zu beschreiben, aus welchen medizinischen Gründen die erhobenen Befunde das funktionelle Leistungsvermögen und die psychischen Ressourcen in qualitativer, quantitativer und zeitlicher Hinsicht zu schmälern vermögen.

Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit kann im weitesten Sinne als eine funktionelle gesundheitliche Beeinträchtigung umschrieben werden, Erwerbs- und Nicht- erwerbstätigkeiten nicht ausführen zu können. Die verschiedenen Rechtsgebiete konkretisieren den spezifischen Arbeitsunfähigkeitsbegriff nicht nur begrifflich unterschiedlich, sondern umschreiben die jeweilige Arbeitsunfähigkeit auch heterogen. Der sozialversicherungsrechtliche Arbeitsunfähigkeitsbegriff gilt in den anderen Rechtsgebieten mitunter analog oder wird davon auch abweichend umschrieben. Der haftpflichtrechtliche Arbeitsunfähigkeitsbegriff, der beim Erwerbsausfallschaden massgeblich ist, unterscheidet sich etwa vom Erwerbsunfähigkeitsbegriff dahingehend, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht objektiv-abstrakt wie in der Sozialversicherung, sondern individuell-konkret verstanden wird. Zudem ist im Haftpflichtrecht nicht der ausgeglichene, sondern der konkrete Arbeitsmarkt der Bezugspunkt für die Beurteilung der Auswirkungen der Arbeitsunfähigkeit. Eine eigenständige Bedeutung hat der Arbeitsunfähigkeitsbegriff im Arbeitsrecht, worauf ebenso spezifisch eingegangen wird.

Die Juristinnen und Juristen waren darum gehalten, die mit Bezug auf den jeweiligen Arbeitsunfähigkeitsbegriff massgeblichen tatsächlichen Voraussetzungen zu benennen und darzulegen, wie diese nachgewiesen werden können. Zudem ist im Kontext mit der Rechtsprechung zu thematisieren, nach welchen Kriterien ein medizinisch hinreichend umschriebener Sachverhalt beurteilt wird, um den Eintritt der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit (teilweise) bejahen oder verneinen zu können.

Anknüpfend an die Gemeinsamkeiten, aber auch an die Unterschiedlichkeiten haben die Autorinnen und Autoren zum jeweiligen medizinischen und juristischen «Fachgebiet» Wissenswertes basierend auf Rechtsprechung, Lehre und «evidence-based medicine» aufgearbeitet.

Das Novum dieses Buches ist, dass sich sowohl die medizinische als auch die juristische Fachexpertise dieser zentralen Aufgabe widmet. Die Juristinnen und Juristen geben in diesem Buch einen konzisen Überblick zur Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit in den verschiedensten Rechtsgebieten. Ebenso haben sich medizinische Fachdisziplinen wie Neurologie, orthopädische Chirurgie und Traumatologie, Psychiatrie, Gynäkologie, Rheumatologie und Physikalische Medizin, Hausarztmedizin/Innere Medizin und Telemedizin aus fachspezifischer Sicht dieser Materie gewidmet.

Korrespondenzadresse

Dr. iur. Iris Herzog-Zwitter
Swiss Insurance Medicine

Finden Sie diese Seite hilfreich?