Zu Gast bei der Suva: über Versicherungsmedizin und Public Health
Im Frühling 2025 waren die young Swiss Public Health Doctors (ySPHD) bei der Suva in Luzern zu Gast. Ziel war es, praxisnahe Einblicke in die Arbeit und Weiterbildung bei der Suva zu gewinnen. Ein Rückblick auf einen spannenden Austausch zur Rolle der Versicherungsmedizin im Bereich Public Health.
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Inhalt
Autorenschaft
PD Dr. med. Dominik Menges PhD MPH, Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, Universität Zürich, Hirschengraben 84, 8001 Zürich
Prof. Dr. med. Julia Dratva MPH, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Katharina-Sulzer-Platz 9, 8400 Winterthur
Einleitung
Im April 2025 besuchte eine Gruppe junger Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung im Bereich Prävention und Public Health die Suva in Luzern – eine Institution, die sich schon lange mit Prävention und Public Health auseinandersetzt. Organisiert wurde der Besuch durch die Abteilung Versicherungsmedizin der Suva für die young Swiss Public Health Doctors (ySPHD) [1], eine engagierte Nachwuchsgruppe der Fachgesellschaft für Prävention und Public Health (Swiss Public Health Doctors, SPHD). Ziel des Events war es, praxisnahe Einblicke in die versicherungsmedizinische Arbeit und die Suva als Weiterbildungsstätte für Prävention und Public Health zu gewinnen.
Prävention bei der Suva
Die Prävention ist ein wichtiger Pfeiler der Tätigkeiten der Suva [2]. Ihr Nutzen ist klar: Weniger Unfälle und ein verbesserter Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz führen direkt zu einer besseren Gesundheit der Bevölkerung und niedrigeren Gesundheitskosten – und damit auch zu einem reduzierten Leistungsbedarf für die Suva. In ihrer über 100-jährigen Geschichte hat die Suva eindrücklich bewiesen, dass ein systematischer Aufbau von Sicherheitskultur und Prävention am Arbeitsplatz sowohl wirtschaftlich sinnvoll als auch gesundheitsfördernd ist. Dies unterstreicht den Mehrwert der Prävention für die öffentliche Gesundheit sowie die wichtige Rolle der Suva (und anderer Unfallversicherer) im Schweizer Gesundheitssystem.
Versicherungsmedizin als Praxisfeld für Public Health?
Die Versicherungsmedizin wird eher als administrative oder juristische Disziplin verstanden [3]. Da sie sich primär mit dem Individuum und der individuellen Fallführung befasst, stehen die faire und transparente Beurteilung von Arbeits(un)fähigkeit, Kausalität und Unfallfolgen sowie die Rehabilitation und Wiedereingliederung im Zentrum ihrer Arbeit. Auf den ersten Blick steht dies im Kontrast zum bevölkerungsbezogenen Ansatz von Public Health. Tatsächlich aber verfolgen beide Felder ähnliche Zielsetzungen: die Vermeidung von Krankheit, die Förderung funktionaler Gesundheit und die nachhaltige soziale Teilhabe der Versicherten bzw. der Bevölkerung in der Gesellschaft. Im Rahmen des Events zeigten Dr. med. Josef Grab und Dr. med. Christoph Bosshard deutlich auf, wie die Arbeit in der Versicherungsmedizin zwar sehr spezifische Aufgaben und Kompetenzen beinhaltet, gleichzeitig aber auch in vielerlei Hinsicht einer angewandten Public-Health-Tätigkeit entspricht. Die Versicherungsmedizin versteht sich als Teil der Sozial- und Präventivmedizin. Mit diesem Selbstverständnis engagiert sich die Suva in der Weiterbildung für Ärztinnen und Ärzte in Prävention und Public Health und leistet damit einen aktiven Beitrag zur Zukunft dieses Fachgebiets.
Public-Health-Kompetenzen in der Weiterbildung
Die Versicherungsmedizin nimmt eine Brückenfunktion zwischen klinischer Medizin, Arbeitgebenden, Gesetz, Sozialsystem und den Versicherten ein [3-5]. Hierbei ist ein evidenzbasiertes und datengestütztes Vorgehen bei der Fallbeurteilung zentral. Die fachärztliche Tätigkeit erfordert solide Kenntnisse über das Gesundheitswesen der Schweiz, die Aufbereitung und Interpretation publizierter Studien und die Analyse von Daten. Als Institution kann die Suva auf Erkenntnisse aus mehreren hunderttausend Fällen pro Jahr zurückgreifen. Diesen immensen Datenschatz nutzt sie einerseits intern zur Verbesserung der Fallführung und der Abläufe. Andererseits stellt sie diesen aber auch für die medizinische Forschung zur Verfügung, um wertvolle Einblicke in die Krankheitslast von physischen und mentalen Beeinträchtigungen sowie für eine erfolgreiche Rehabilitation, Wiedereingliederung und die Prävention zu gewinnen. Die transdisziplinäre Kollaboration, evidenz-basiertes und systemisches Denken und Handeln, Kenntnisse des Sozial- und Gesundheitssystems sowie die Analyse und Interpretation von Daten spiegeln auch zentrale Kompetenzen des Facharzttitels für Prävention und Public Health wider. Diese Kompetenzen können in der Versicherungsmedizin bei der Suva erlernt und im institutionellen Alltag konkret umgesetzt werden.
Lernen durch Einblicke
Für die jungen Public-Health-Ärztinnen und -Ärzte war der Besuch bei der Suva von grossem Wert. Der Austausch bot den Teilnehmenden nicht nur fachliche Informationen, sondern förderte auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle und den vielfältigen Handlungsmöglichkeiten im Bereich Public Health. Während des Besuchs erhielten sie Einblicke in die Organisationsstruktur der Suva, ihre Geschichte und ihre Tätigkeitsfelder – und damit praxisnahe Einblicke in das komplexe Berufsfeld der Versicherungsmedizin. Besonders geschätzt wurden der offene Austausch sowie die Gelegenheit, mit erfahrenen Experten die gemeinsame Vision einer zukunftsgerichteten und nachhaltigen Public Health zu diskutieren. Solche Einblicke tragen nicht nur zur inhaltlichen Vertiefung bei, sondern stärken auch das berufliche Selbstverständnis junger Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung.
Inspiration für eine vernetzten Public-Health
Der Besuch bei der Suva war für die ySPHD-Gruppe nicht nur lehrreich, sondern auch inspirierend. Er hat gezeigt, wie wichtig Vernetzung und eine breite Perspektive auf den Bereich Public Health sind – gerade im Schweizer Gesundheitssystem. Die Suva ist ein konkretes Beispiel dafür, wie Public-Health-Prinzipien und -Kompetenzen in der Praxis umgesetzt werden können: Interdisziplinarität, systemisches Denken, evidenzbasierte Entscheidungsprozesse und eine systematische Nutzung von Daten sind kennzeichnend für Public Health und prägen die tägliche Arbeit der Suva. Für die ySPHD-Gruppe wurde deutlich: Public Health lebt unter anderem in Institutionen wie der Suva.
Die Swiss Public Health Doctors (SPHD)
Als Fachgesellschaft für Prävention und Public Health in der Schweiz setzt sich die SPHD für den ärztlichen Nachwuchs in diesem Bereich ein. Nebst der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Weiterbildung in der Schweiz schafft die SPHD daher verschiedene Angebote zur Nachwuchsförderung. Ein wichtiger Pfeiler davon ist die ySPHD-Community. Im Rahmen regelmässiger Events erhalten die an Public Health interessierten Ärztinnen und Ärzte wichtige Einblicke in die verschiedenen Tätigkeiten und Arbeitgeber in diesem Bereich. Darüber hinaus erhalten sie die Gelegenheit, ihr berufliches Netzwerk aufzubauen und zu erweitern. Weitere Angebote der Nachwuchsförderung umfassen ein Mentoring-Programm in Zusammenarbeit mit Public Health Schweiz [5] sowie einen Award für exzellente medizinische Master-Arbeiten im Bereich Public Health. Durch diese Aktivitäten trägt die SPHD nachhaltig zur Entwicklung und zum Kompetenzaufbau in der Public Health in der Schweiz bei.
Korrespondenzadresse
PD Dr. med. Dominik Menges PhD MPH
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Universität Zürich
Literaturverzeichnis
- Young Swiss Public Health Doctors (ySPHD). Swiss Public Health Doctors (SPHD), Bern [Internet]. Verfügbar unter: https://www.publichealthdoctors.ch/young-sphd/ysphd
(abgerufen am 24.06.2025). - Suva. Geschäftsbericht 2024, Luzern. Verfügbar unter: https://www.suva.ch/de-ch/download/dokument/suva-geschaeftsbericht-2024/suva-geschaeftsbericht-2024--1278-109-24.D
(abgerufen am 27.06.2025). - Kunz R, Bollag Y, De Boer W. Versicherungsmedizin und klinische Medizin – Gemeinsamkeiten und Unterschiede: eine Standortbestimmung. Medinfo (ASA/SVV) 2012;1.
- De Boer W, Brage S, Kunz R. Insurance medicine in clinical epidemiological terms: A concept paper for discussion. Tijdschr Bedr Verzekeringsgeneeskd 2018;26:97–99.
- Kunz R, Verbel A, Weida-Cuignet R, Hoving JL, Weinbrenner S, Friberg E et al. Evidence needs, training demands, and opportunities for knowledge translation in social security and insurance medicine: a European survey. J Rehabil Med 2021;53:jrm00179.
- Mentoring-Programm. Public Health Schweiz, Bern [Internet]. Verfügbar unter: https://public-health.ch/de/unsere-veranstaltungen/mentoring-programm
/ (abgerufen am 24.06.2025).